
A *German* Crossover story I wrote, don't ask me why I started that...
Coyotero prefers characters inspired by dark, mostly japanese antiheroes and killers. I am mostly influenced by Treasure Island, old movies and Hook's pirates. I thought it would be somehow funny to let those two worlds crash together. Enjoy.
Die Alexandria durchsegelte nur unter den Focksegeln die südlichen Gestade Puerto Ricos. Als die Sonne einem rot glühenden Feuerball gleich in ihrem Heck unterging, erstreckte sich vor den Krähen nur noch die unendliche Weite des Atlantiks. Neben dem Steuermann standen Miguel und Blackspell am großen Kompass und musterten eine Seekarte der Karibik. Dwight Blackspell, freier Piratenjäger und Meister des spanischen Kreises war enttäuscht ob ihrer letzen Fahrt. Die großen Antillen wurden dank der Navy ihrer britannischen Majestät König William III. von Ernst zu nehmenden Piraten zunehmend gesäubert. Daher hatten sich die Krähen entschieden, entlang der amerikanischen Küstenlinie zu kreuzen, um Edward England oder Thomas Tew zu fassen. Diese hatten sich jedoch, wie die Alexandrier erst später erfuhren, nach dem Indischen Golf aufgemacht. Die Karibik wurde langsam, aber sicher zu heiß für die Brüder der Küste.
Gerade als der Steuermann in die Speichen des Ruders griff und die Freiwache in die Wanten geklettert war, tönte ein Ruf vom Krähennest: „Boot ahoi! Bugwärts!“
Mit berufsbedingter Schnelligkeit richteten sich ein halbes Dutzend Fernrohre auf die Kimm.
„Das ist tatsächlich nur ein Boot, señor capitan. Ein Ruderboot.“ „Das sehe ich selbst, Master Miguel“, versetzte der schwarze Kojote etwas barsch. „Fragt sich nur, woher mitten in Ozean ein Beiboot kommen soll. Aber sei’s drum…“, der Kojote klappte das Fernrohr zusammen, „Wir werden es bald wissen. Sie versuchen Kurs auf uns zu halten. Nehmen wir ihnen die Mühe ab.“ Miguel zögerte kurz. „Soll ich gefechtsklar machen lassen?“ Dwight musste lächeln „Wegen einem Dingi? Wenn sie Schiffbrüchige sind, erübrigt sich das…und sollte das ganze ein Trick sein: Mit den paar Mann werden wir wohl noch so fertig.“
Frauke van Geest stand neben Dwight und Miguel, auf dem Hauptdeck die Freiwache der Alexandria und alle, die sich irgendwie vor ihren Pflichten drücken konnten. Unter den hart gesottenen Männern standen auch Deadlock, offiziell eine Geisel, aber eigentlich Gast der Krähen, sein Neffe Batiston und ein junger Rotfuchs. Dieser war früher in der Seeräubermannschaft des Chevalier und trug nach dessen gewaltsamen Ableben nur noch schwarz am Körper, sofern er denn mehr als nur eine Hose trug.
Allmählich, dann, mit aufkommenden Wind immer rascher, wurde der Klecks am Horizont größer, nahm Form an, und nur noch wenige dutzend Meter von dem Piratenjäger entfernt drehte ein relativ kleines Rettungsboot mit blauem Rand und drei erschöpften Männern darin bei. Der Wellengang ließ die Nussschale auf und ab hüpfen wie einen Korken, aber gerade noch konnten die Insassen, ein alter Dachs, ein Hase, offenbar am Rande der Hysterie und eine ausgemergelte Ratte, das Boot am kentern zu hindern.
„He, Boot ahoi! Wer seid ihr?“ „Ahoi! Von der Edinburgh! Wir sind die einzigen Überlebenden! Um Gottes Willen, helft uns!“ Dwight wechselte einen kurzen Blick mit Frauke. Die nickte. Auf einen lauten Befehl hin flogen dem Dingi mehrere Seile entgegen.
Gekonnt fing der Rattenmann zwei Seile und verknotete sie rasch am niedrigen Bug, einige Krähen begannen zu ziehen und schon nach wenigen Sekunden schlug das Dingi an die Backbordseite der Alexandria. Die drei Ruderinsassen kletterten, der Hase mit Mühe, eine Strickleiter empor. Das Fallreep hatte man nicht extra ausgeworfen.
Umringt von den martialischen Piratenjägern standen die Geretteten etwa unsicher beieinander, bis sich Blackspell als unverkennbarer Anführer durch seine Mannschaft schob.
„Ahem…ich denke, wir stehen tief in Eurer Schuld, Kapitän.“ Der Dachs hatte seinen geteerten Hut abgenommen und verneigte sich linkisch vor dem Kojoten. „Hättet Ihr uns nicht aus dem Meer gefischt, nun ja…noch etwas länger, und Davy Jones hätte uns gehabt. Dank natürlich euch allen!“, fügte er mit freundlicher Miene und Blick in die Rund hinzu, um die Mannschaft nicht zu übergehen.
Die Krähen murmelten Worte wie „gern geschehen“, „keine Ursache“, und auch Dwight winkte ab. „So viel Mühe war’s dann doch nicht“, meinte er kurz. „Interessieren würde uns eher, was ein kleines offenes Boot auf hoher See verloren hat.“ „Piraten, Sir.“ Auf einen schlag war das Gemurmel dem gespannten Schweigen gewichen – jetzt ging es ums Geschäft.
„Wie groß war ihr Schiff? Wie viele Männer, ungefähr? Und in welche Richtung sind sie gesegelt?“ Dwight kam ohne Umschweife zur Sache.
Die Ratte ergriff das Wort. „Eine voll bemannte Galeone. Ziemlich altmodisch, so was habe ich zuletzt auf dem Trockendock in Lissabon gesehen.“ „Hm.“ Blackspell kam das sehr komisch vor. Piraten versuchten stets auf modernsten und schnellsten Schiffen zu segeln – Galeonen hingegen waren schon seit fast vierzig Jahren veraltet, und selbst die spanische Krone verwendete sie nur noch zu rein repräsentativen Zwecken. Dieser Punkt ließ ihn wieder misstrauisch werden; sein verbliebenes Auge schien das zu spiegeln, denn nervös ruckten die drei Matrosen zusammen. Frauke versuchte zu vermitteln. „Ihr braucht euch nicht zu schämen. Schon Tausende wurden wie ihr überrumpelt, da bedarf es keiner Übertreibung – außerdem können wir Lügner nicht ausstehen, savy? Stehlt uns nicht unsere Zeit.“ „Ich weiß ja, das klingt unglaubwürdig“, warf der Dachs ein und strich sich nervös den Backenbart, „aber es ist die reine Wahrheit, ehrlich.“ „Na sei’s drum. Woher kam dann dieser schwerfällige Kahn so plötzlich, dass ein modernes Westindienschiff nicht entkommen konnte?“
Jetzt wechselte das Trio einen bestürzten Blick und schwieg. „Also? “ Dwight hatte die Arme verschränkt und knurrte leise. Frauke, die neben ihm stand, wusste, dass er nur einen winzigen Hauch davon entfernt war sie einfach über Bord zu werfen.
„Nun jaaaa….“, begann der Rattenmann und kratze sich am Kopf. „Die Sache ist so…“, meinte der Dachs. Beide zögerten. „Aus dem nichts!! Aus weißem Licht am Himmel!“, platzte der Hase heraus.
Schweigen. Dann dröhnendes Gelächter.
Ein scharfes Bellen brachte alle zum Schweigen. Der schwarze Kojote packte den zitternden Hasen grob am Schlafittchen und riss ihn nach oben, kurz vor seine Schnauze. „Ich finde das gar nicht komisch, du…“ „Er hat Recht, Sir.“ Der Dachs kam seinem rotberockten Kameraden zu Hilfe. „Ich schwöre was mir heilig ist, er lügt nicht!“ Auch die Ratte bestätigte das Gesagte. Captain Blackspell hatte schon viele Ausreden, Lügen, Flunkereien und Übertreibungen gehört – aber das schlug dem Fass einfach die Krone ins Gesicht.
Nach Fassung ringend presste er Daumen und Zeigefinger auf die Schnauzenwurzel und atmete tief durch. „Also, eine Galeone taucht aus dem nichts auf, entert euch, und dann? Wieso seid ihr noch am Leben?“ Der Rattenmann musterte seine Handrücken. „Alle wurden abgeschlachtet. Wir haben den Fehler gemacht uns zu wehren…die Überlebenden hat man über die Planke geschickt. Uns drei hat man übrig gelassen.“
„Warum?“ Der Dachs spann den Faden weiter. „Sir, der Kapitän der Seeräuber rief uns zum Achterdeck.“ „Wer war es? Wie sah er aus?“ „Er saß im dunklen. Aber manchmal glühten zwei Zigarren auf.“ „Was denn, zwei?“ „Ja, zwei! Dann glänzte es metallisch. Und seine Augen waren kalt wie Eur…kalt wie Eis.“
„Und, und, und“, stammelte der Rammler, „und er hat gesagt, dass wir gehen könnten, wenn wir eine Nachricht überbringen.“
„Die da wäre?“, fragte Miguel barsch dazwischen. „W...wir sollten der Welt verkünden, d…dass Hook…“ – „Captain Hook…“ – „Captain James Hook wieder unter den Lebenden weile!“
„Das ist doch totaler Blödsinn!“ Frauke van Geest, ein recht burschikoses Otterweibchen, lehnte am Heckfenster und hielt mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. „Ein Schiff, das seit Jahren ein Wrack sein müsste, das fliegt und ein ominöser Kapitän, der Wert darauf legt seinen Namen zu nennen und zwei Zigarren auf einmal raucht. Haben wir’s so nötig, uns mit so einem Mist zu befassen?“ Ein warnender Blick Blackspells brachte sie zum Schweigen. „Ich muss dich daran erinnern, dass wir JEDER Fährte eines einigermaßen wichtigen Piraten nachgehen. Anders herum gefragt:“, Dwight legte die Füße auf seinen Schreibtisch und sah in die Runde, „Wer hat schon einmal etwas von diesem Hook gehört? Ich muss da passen.“
Der Kriegsrat in der großen Heckkabine der Alexandria bestand aus Dwight, Frauke, Miguel, und ungewöhnlicherweise auch aus Deadlock und Cutter. Ersterer war ein eher glückloser, aber charismatischer Pirat und eigentlich als Geisel and Bord, der andere, ein machiavellischer Fuchs, offiziell nur Koch. Doch beide waren in der Halbwelt der karibischen See äußerst erfahren – und daher mit von der Partie.
Miguel schüttelte nur den Kopf. Cutter überlegte kurz, und verneinte ebenfalls. Frauke winkte ab; nur Deadlock grinste und zupfte auf seiner Laute, die er stets mit sich herumzuschleppen schien.
„Mates, das zeigt mal wieder, wie jung ihr noch seid – und dass ihr ja so was von keine Ahnung habt!“ Cutter hob eine Augenbraue. „Hättet ihr dann die Güte uns arme Unwissende aufzuklären?“
Der Ziegenbock lachte meckernd und setzte sein Instrument an. Schnell spielte er die ersten Takte eines ziemlich guten Rondos. „Das ist von ihm, zumindest hat man mir das gesagt. Ich war selbst höchstens drei oder vier Jahre alt, da war James Hook ein Piratenfürst. Im ersten Rat der Sieben ... Ich glaube, Snapjaw dürfte ihn noch persönlich kennen. Hook war der engste Vertraute vom alten Morgan, und man sagt dass er der einzige Mann war, den Barbecue und Flint jemals fürchteten. Einige Absätze in unserem Kodex sind von Hook’s eigener Hand niedergeschrieben. Er soll damals plötzlich verschwunden sein, und niemand hat jemals wieder von ihm gehört. Aber das tut alles wenig zur Sache. Selbst wenn der Kerl damals nicht mit Mann und Maus abgesoffen ist - dann wäre er jetzt älter als Methusalem. Unser Mann kann das einfach nicht sein, savy?“
Miguel griff sich einen Zinnbecher und nippte am Inhalt. „Dann ist es ein Betrüger. Vielleicht so ein loco wie Bonnet, irgendein gelangweilter Dandy, der zu viele Romane gelesen hat. Er kauft ein abgetakeltes Schiff, heuert ein Paar Halsabschneider an und spielt den Piraten.“
Dwight Blackspell verzog das Gesicht. „Eine andere Möglichkeit gibt’s da wohl nicht. Also, ich denke, wir…“
„Das ist sehr schlicht gedacht, oder?“ Frauke meldete sich wieder zu Wort. Miguel war beleidigt. „Ah si? Und was wäre so dumm daran?“
Cutter nahm ihr die Antwort ab. „Sie hat Recht. Denkt doch mal nach! Wir wissen wahrscheinlich mehr über Piraten als die meisten dieser Lumpen selbst! Und trotzdem, ohne Deadlock hier hätten wir auch keine Ahnung gehabt, wer Hook überhaupt ist!“ „Genau! Was hat es denn für einen Sinn“, fuhr Frauke wieder fort, „sich den Namen eines Kapitäns zuzulegen, den niemand mehr kennt? Dann kann man’s doch gleich lassen, oder?“
Dem konnte keiner widersprechen. Nach einigen Sekunden des Schweigens, in denen überlaut die Geräusche des arbeitenden Schiffes zu ihnen durchdrangen, klopfte Dwight abschließend auf den Kartentisch und erhob sich. Eine Kartenrolle hervorkramend, wandte er sich an seinen Kriegsrat. „Uns bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir werfen unsere Schiffbrüchigen im nächsten Hafen von Bord und vergessen das Ganze. Oder wir versuchen, unser Phantom zu greifen - und vielleicht ein ordentliches Sümmchen zu kassieren.“ Das Ganze war mehr eine Feststellung denn eine Frage. Deadlock lachte und griff sich den Zinnkrug. „Na dann: Auf Captain Hook! Möge er blühen und gedeihen!“
Misstrauisch äugte die Otterdame zum alten Ziegenbock herüber. „Seit wann bist du denn auf unserer Seite?“ Unverschämt grinste sie Deadlock an. „Wer sagt, dass ich’s bin?“
Schnell wie ein Pfeil von der Sehne schoss das Schiff der Krähen durch die südliche karibische See. Blackspell folgte einer Blutspur der Zerstörung wie ein Jagdhund. Mit jedem Tag verringerte sich der Abstand zu einem Schiff, das fehlende Wendigkeit durch bloße Feuerkraft und eine brutale Crew wettmachte. Fast überall, in kleinen Küstenstädtchen und auf umher treibenden Schiffswracks, war keine lebende Seele mehr zu finden. Etwas überraschte es die abgebrühten Piratenjäger, dass aber manchmal ganze Mannschaften unverletzt in den Beibooten übers Meer ruderten. Sie hatten sich ohne Kampf ergeben und wurden sogar zuvorkommend von einem Kapitän behandelt, der „ein wahrer Gentleman“ sei. Die Alexandria verlor jeweils wertvolle Tage, um die ungebetenen Gäste wieder an Land zu schaffen. Aber dafür sammelte Dwight, Stück für Stück, die Mosaikteile seines aktuellen Gegners.
Endlich, nach fast zwei Wochen, rief der Ausguck ein großes Schiff aus.
Die Nacht zuvor war ein schweres Gewitter niedergegangen, am Horizont, noch vor der Galeone, bildete sich eine dichte, fast schwarze Nebelwand. Das kümmerte jedoch keinen: Die Alexandria wird das Schiff noch weit vorher eingeholt haben.
Fast sehenden Auges schmolz der Abstand dahin. Schon ragte das schmutzige weiß der Segel über die Kimm, die dunklen Masten wuchsen empor, schließlich der Rumpf. Nach nur drei Stunden konnte man das Schiff nur wenige Meilen entfernt ohne Fernglas deutlich sehen. Schnell und effizient wandelte sich der Schnellsegler zu einem todbringenden Ungetüm. Beinahe ausgelassen scherzten die Krähen und machten Scherze, nur Dwight Blackspell allein war ernst und kalt wie vor jedem Kampf.
Bis jetzt war an Bord der Galeone alles ruhig geblieben. Aber dann flogen in einem einigen Donnern sämtliche Stückpforten auf, schweres Geschütz schob sich bedrohlich ans Tageslicht. Das hohe, schmale Ruderblatt drehte sich und das schwere Schiff ging stampfend vor den Wind, um einen besseren Schusswinkel zu haben. Dabei blitze unter einem etwas naiv gemalten Totenkopf mit gekreuzten Knochen am schwarzen, hohen Heck ein goldener Namenszug auf: Jolly Roger.
Am Flaggenstock stieg die schwarze Piratenfahne empor. Die Alexandria drehte schnell ab und segelte unter dem Heck der Galeone vorbei in deren toten Winkel, ohne ein Risiko wollten die Krähen so das Schiff entweder entern oder dessen Ruder wegschießen.
Ein Flammenstoß blitzte vom Achterdeck der Jolly Roger auf, einen Lidschlag später dröhnte das gewaltige Donnern einer Pulverexplosion über das Wasser. Nur die schnellsten Augen sahen eine riesige Kugel, die wie ein schwarzer Komet in den bewölkten Himmel schoss, eine steile Kurve formte und dann wenige Meter neben dem Piratenjäger ins Meer einschlug. Die Wassersäule reichte fast bis an die Mastspitzen und klatschte über die Bordwand. Die Alexandria holt über, alles suchte nach einem festen Griff. Einige weniger geschickte Krähen wurden umgerissen und kullerten über das Deck. „Was zum Teufel war das?“, brüllte Deadlock über das Geschrei und den Lärm des arbeitenden Schiffes hinweg. „Das muss ein Mörser gewesen sein!“, rief Blackspell zurück. „Und zwar ein verdammt großer!“ Miguel stieß etwas grob den Steuermann beiseite und griff in die Speichen. Frauke wandte sich wütend um, als das schnelle Schiff vom Kurs abkam und vor den Wind ging. „Master Miguel, was tut ihr da?“ „Willst du, dass wir alle draufgehen, Señorita? So kommen wir an die nicht
ran!“ „Er hat Recht“, schaltete sich Dwight ein. „Vor seine Breitseite dürfen wir gar nicht erst kommen, und ans Heck…da müssten wir schon sehr viel Glück haben!“ Wie zur Bestätigung und Antwort donnerte der Piratenmörser wieder los, das Geschoss heulte laut durch die Luft und detonierte diesmal in der Luft, knapp oberhalb der schwerer werdenden Wellen. Obwohl auch diesmal der Schuss weitab des Piratenjägers niederging, durchlöcherten zahlreiche Schrapnellkugeln den Rand der Segel, einige durchschlugen hell krachend die Bordwand. Ein drahtiger Terrier schrie auf und kippte aus Deck, ein Unterschenkel nur noch eine blutige Masse. „Runter mit ihm ins Krankenrevier! Streut Sand aus!“ Schnell und überlegt gab der Kojote seine Befehle, dann griff er in einer Atempause nach seinem Fernrohr. Das schwankende Deck ausbalancierend richtete er das Glas auf die dunkle Galeone. Stampfend hielt die Kurs auf die dichte Nebelbank, die letzen Rauchwolken ihres Mörsers hinter sich lassend. Trotz des veränderten Winkels blitze es erneut hinter dem hohen Heck auf. ‚Das Ding ist schwenkbar!’ schoss es Dwight durch den Kopf, hektisch griff er ins Steuerruder und drehte so schnell ab wie er konnte. Die schwere Mörserkugel schlug wenige Sekunden später genau dort ins Wasser ein, wo sich die Alexandria ansonsten befunden hätte.
Endlich lag der Piratenjäger auf Parallelkurs zur Jolly Roger. Das schwere Geschütz war nun nutzlos für die Piraten, denn jetzt würden sie sich beim nächsten Schuss den eigenen Fockmast wegschießen. Geübt schnell behoben die Krähen die Schäden an ihrer Takelage und schrubbten das Blut ihrer wenigen Schwerverletzten vom Deck. Trotzdem herrschte eine aufgewühlte Stimmung auf den nassen Decks.
„Das war’s“, meinte Deadlock trocken. Das Piratenschiff war schon merklich kleiner geworden und tauchte langsam in die Nebelwand ein. Noch wenige Wellenschläge, dann war es verschwunden, verraucht wie ein schlechter Traum.
„Wenn wir denen jetzt nachsetzen, haben wir sie locker vor Einbruch der Dämmerung eingeholt!“ Frauke strich fast fiebrig mit den Fingern über ihren Bootshaken. Dwight zog sich einen Splitter aus dem Unterarm und schüttelte den Kopf. „Oder sie uns. Diese Jolly Roger ist alt und langsam, aber ich fürchte, dass ein Volltreffer für uns schon reicht. Das Risiko gehe ich nicht ein, solange wir Singh als Hauptziel haben….“ „Du hast doch nicht etwa Angst?“ Der Kojote knurrte und warf ihr aus seinem verbliebenen Auge einen bösen Blick zu. „Nein, ich habe dafür Verstand.“ Er nickte mit der Schnauze in Richtung der verschwundenen Galeone. „Wohin sollen die schon segeln? Das Schiff ist zu groß, unser geheimnisvoller Kapitän kann nicht in irgendwelchen flachen Buchten ankern. Allein in den letzten Tagen hat er aber britische, französische, spanische und ein holländisches Schiff gekapert, savy? In deren Häfen will oder kann er also auch nicht, nicht mal nach Port Royal. Also, was bleibt?“ Das Ottermädchen bedauerte es, den Bogen überspannt zu haben. „Tortuga. Nicht wahr?“
„Genau. Zumal der Wind nach Südwest weht.“ Frauke legte ihre Pfote fast schüchtern auf Dwights flachen Bauch. Besänftigt zog er sie fest an sich und küsste sich lange…Jaquard, der mit Batiston das Deck schrubbte, machte heimlich Würgegrimassen und erntete dafür einen Rippenstoß.
Tortuga, eine kleine Insel nördlich von Hispaniola. Ein gesetzloser Ort, verkommen, schmutzig, fast so gefährlich für die Einwohner wie für die Gäste. Aber Heimathafen und Zufluchtsort für alle, die ihre Freiheit der Sicherheit eines geregelten Lebens vorzogen.
Als die Alexandria düster und bedrohlich in den natürlichen Hafen einfuhr, und eine kleine Elitetruppe an Land ging, stoppte jedes Treiben. Dwight Blackspell war hier verhasster als sonst irgendwo. Aber die Furcht vor den Krähen und ihrem titanischen Kapitän verhinderte jeden Angriff, dennoch, wenn Blicke töten könnten, keiner der Piratenjäger hätte länger als eine Minute in der Piratenenklave überlebt.
Frauke van Geest stupste den Kojoten an und deutete auf eine verfallene Mole. Dort lag, in seiner ganzen Pracht, die Jolly Roger vertäut. Am Heck wehte träge im sanften Wind die schwarze Flagge. Tatsächlich glänzte eine große Haubitze auf einer schwenk- und drehbaren Lafette. Dwight nickte und ging ein Stück weiter, schob sich durch das Gewühl der Händler und hielt eine Hand auf dem Griff seines Rapiers. Er sprach eine junge Schäferhündin an, die auf einem tragbaren Grill heiße Pasteten verkaufte. Gegen einige kleine Münzen war sie bereit, ihm Auskünfte zu geben. Unauffällig drehte sie sich halb zur Wand, als ob sie ihre Ware vor dem Gedränge schützen wollte und ließ die Silbermünzen in ihrem Ausschnitt verschwinden.
„Wie viele Männer sind noch an Bord?“ „Weiß nich’ genau, so zwanzig etwa.“ „Und die anderen?“ „Treiben sich überall hier herum, die haben Geld wie Heu!“ Kein Wunder, bei dem Arbeitspensum, dachte Blackspell. „Und der Kapitän?“ „Ein echter Gentleman, wirklich. Ein bisschen aus der Mode der Gute, aber Manieren wie ein feiner Herr.“ Sie schlug fast kokett die Augen nieder. „Wo ist er?“, präzisierte Dwight knapp. Der Kerl konnte tausend Hände oder keine und Casanova persönlich sein, das war ihm noch reichlich egal. Er prägte sich sein Bild eines Mannes erst, wenn er ihn leibhaftig vor Augen sah.
„Er sitzt mit einigen seiner Leute im Admiral Benbow, da war er zumindest vorhin noch…und danach wollten sie ins Nancys.“
Wortlos sah sie der grimmigen Schar nach, die ihre Klingen lockerten und entschlossenen Schritts die verdreckte Straße davon stapften. Weit mussten sie nicht gehen. Schon von weitem wurde ihnen ein Lied entgegengeschmettert, das schnell lauter wurde:
"Yo ho, yo ho, the pirate life, The flag o' skull and bones, A merry hour, a hempen rope, And hey for Davy Jones."
Das dichte Gedränge der zahllosen Passanten teilte sich wie das biblische Meer und machte einer seltsamen Prozession Platz.
Vorneweg ein stattlicher italienischer Kater, misstrauisch nach links und rechts blickend, um die Hüften eine lange Seidenschärpe, die breiten Arme nackt, schwere Goldmünzen an den Ohren. Ihm folgte ein geradezu hünenhafter schwarzer Schakal, der ein ganzes Arsenal an orientalischen Dolchen in breiten Ledergürteln mit sich trug. Dahinter ein Dalmatiner, in einen verlotterten, einst prächtigen Gehrock gekleidet, auf den Kopf eine schmutzige weiße Zopfperücke. Die nachfolgenden drei Männer, zwei fast identisch aussehende Wiesel mit vernarbten Fell und ein finster blickender Keiler, dessen Schwarte über und über tätowiert war, zogen einen primitiven Karren. In diesem Karren saß, bequem zurück gelehnt, ein graupelziger, fast weißer Löwe. In einen schwarzen Justaucorps mit weiten Ärmeln gehüllt, deren einziger Schmuck blutrote Zierborten waren, bot er ein Bild veralteter Eleganz. Seine geradezu extravagant lange Mähne fiel ihm in schwarzen Wellen weit über die Schultern, sein breiter Federhut war an einer Seite hochgeklappt und von einem fast handtellergroßen Diamanten fixiert. Blasiert, mit melancholischen, fast hellblauen Augen blickte er gedankenverloren ins Leere und rauchte an einen kurzen silbernen Halter, in dem zwei Zigarren gleichzeitig Platz hatten.
Am auffälligstem jedoch war eine riesige sichelartige Klinge, die aus dem Spitzenärmel anstelle der rechten Hand herausragte. Damit gab er die Geschwindigkeit vor und trieb seine Leute an. Er behandelte sie wie Sklaven, und sklavisch gehorchten sie ihm.
Den Abschluss der Reihe bildete ein dickes Hausschwein, das die besten Jahre schon hinter sich hatte. Der Eber polierte immer wieder, die Augen zusammengekniffen, eine verbeulte Nickelbrille, ansonsten half er eher symbolisch beim Schieben des Karrens. Die Piratenjäger stießen sich in die Rippen und nickten einander zu. Die Krähen hatten ihre Beute gefunden.
In Nancys Harbour Tavern ging es hoch her wie immer. Dwight Blackspell hielt seine ungeduldigen Leute noch eine Weile im Zaum: Betrunkene Gegner waren noch leichter zu fangen. Erst als die verrostete Turmuhr eines verwüsteten Gotteshauses die halbe Stunde schlug, nickte er nur kurz und stieg als erstes die schmalen Steinstufen hinunter, die in die Höhle des Löwen führten.
Dicke Luft, alkoholgeschwängert und verräuchert, schlug ihnen entgegen. Erste Gespräche verstummten, als man die Krähen erkannte. Frauke warf einigen Musikanten einen eindringlichen Blick zu, die daraufhin unvermindert weiterspielten. Die meisten Gäste zogen es vor, paarweise das Weite zu suchen, oder wollten einfach nur nicht mit dem finsteren Blackspell in einem Raum sein. Schon nach wenigen Minuten waren außer den Musikanten und den Wirtsleuten nur noch die Männer der Jolly Roger und die Krähen im Raum.
Die Musikanten verstummten nacheinander, bis schließlich ein letztes Jaulen einer Querflöte verebbte. Inmitten der plötzlich einsetzenden Stille dröhnte die an sich leise Stimme des Löwen wie Donner. Sie war gekünstelt sanft, fast ein Schnurren.
„Gentlemen, erlaubt ein offenes Wort. Erst attackiert Ihr mein Schiff. Dann verfolgt Ihr mich und meine Männer wie die Büttel den säumigen Zahler. Und nun verderbt Ihr mir einen Moment der Muse. Dieser Zustand ist unhaltbar.“ Dwight Blackspell trat vor und warf seinen Mantel nach hinten. „ Ihr seid James Hook?“ „Captain James Hook. Euer Diener.“ Tatsächlich erhob sich der Löwe ein wenig aus seinem Stuhl und verneigte sich aus der Hüfte heraus. „James Hook, mein Gefangener. Ihr seid wegen Piraterie festgenommen!“ Hook hob eine Augenbraue. „Ich fürchte, das würde sich weder für Euch noch für mich lohnen. Ich bin unabkömmlich.“ Er griff mit der Linken nach einem kostbaren Becher und nippte vornehm daran. „Tötet ihn.“
In einem einzigen Aufschrei rissen die Piraten ihre Waffen aus den Gürteln und stürmten auf den Kojoten zu. Dabei hatten sie vollkommen die Krähen vergessen, die sich innerhalb eines Herzschlages um ihren Kapitän scharten und geschlossen über die Freibeuter herfielen. Dwight riss seinen gefürchteten Rapier aus dem Waffengurt und kreuzte die Klingen mit dem Dalmatiner, der recht gut, aber allzu schulmeisterlich mit einem schartigen Florett focht. Die Piraten kämpften alle erfahren und fast tollkühn, aber gegen die Übermacht der todbringenden Krähen verrauchte ihr Mut rasch. Erst ergriffen die Wiesel die Flucht, dann wurde der Schakal von Frauke an der Flanke erwischt und wich zurück. Dwight schmetterte in einer Riposte das Florett des Dalmatiners zu Boden und setzte nach, nur ein gewagter Sprung zur Seite rettete seinen Gegner. Der versuchte gar nicht erst den Kampf fortzusetzen sondern gab Fersengeld, mit ihm der Rest der Gruppe. „Starkey, du Bastard, was denkst du, was du da tust? Komm zurück!“, brüllte der Piratenkapitän, als er seine Mannschaft verschwinden sah. „Wir sind aus der Übung! Wir holen Verstärkung und kommen dir zu Hilfe!“ Und damit fiel die Tür krachend zurück in die Angeln, die Krähen waren mit Hook allein.
Diejenigen von ihnen, die den Löwen unterschätzt hatten, konnten ihren Fehler nicht bereuen. Vier Piratenjäger, darunter auch ein stämmiger Rotweiler, lagen tot in ihrem Blut, einem weiteren fehlte gar der Kopf. James Hook blickte knurrend in die Runde und drehte sich langsam im Kreis. Seine schreckliche Prothese schimmerte rot von Blut, war aber nutzlos gegen die rund zwanzig Pistolen, die sich auf ihren Träger richteten.
Dwight wandte sich ab und steckte den Rapier weg. „Fesselt ihn, und schafft ihn aufs Schiff. Dann begrabt unsere Toten.“ Er war schon am gehen, als Hook ungläubig in die Runde blickte. „Ihr…ihr schafft mich einfach so wie einen Strauchdieb weg?“ „So sieht aus, Pirat.“ Frauke grinste böse.
Entgeistert sah Hook kurz zur Otterdame, und folgte dann mit den Augen Dwights Rücken. „Das könnt ihr nicht machen! Form wahren! Sir, ich fordere Euch! Habt ihr gehört?“ Einige Krähen hatten sich ihm bereits mit Stricken genähert, doch achtlos stieß er sie weg wie Puppen, die schnappenden Pistolenhähne ignorierend. „D…dreht euch um und kämpft mit mir, wenn ihr mich schon fangen wollt!“ Da ihn der Kojote ignorierte, stampfte er wütend mit dem Fuß auf, „Schlechter Stil! Habt ihr gehört, Dwight Blackspell!? Hölle und Fluch, kämpft mit mir, oder ich schwöre beim Satan, ihr werdet James Hook nicht wieder los! Und selbst die Kinder der Kinder Eurer Kinder werden noch von mir hören, und notfalls jeder Eures Blutes! Kommt zurück!“ Der Kojote war am oberen Treppenabsatz stehen geblieben. Schwungvoll drehte er sich um. „Was wollt ihr?“ Hook lächelte düster. „Nur Euch.“ „Wenn ihr darauf besteht…“ Dwight sprang auf das breite Geländer und rutschte wieder herunter, entging dem Geländerpfosten durch einen eleganten Sprung und landete einige Schritte vor dem finsterem Piraten. Die Krähen wichen zurück und bildeten einen weiten Kreis. Captain Hook löste mit einem Griff seinen weiten Umhang und ließ ihn achtlos auf den schmutzigen Boden fallen. Mit einem schneidenden Laut zog er seine schwere Klinge aus der roten Schärpe, fast noch ein Schwert. Dwight musterte seinen Gegner kritisch. „Wir sind etwas aus der Mode, nicht wahr, Hook?“ Nur für einen Augenblick war James irritiert und riskierte einen Blick an sich hinunter. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt. „Das kommt ganz auf die Zeit an, Grünschnabel.“ Seine vergissmeinnichtblauen Augen strahlten mit dem kalten Glanz der Diamant-Hutnadel um die Wette. Deadlock der Ziegenbock, der uneingeladen mitgekommen war, hatte sich abseits auf ein Fass gesetzt und stimmte die Laute. Dann begann er mit sicherem Griff und meckernder Stimme ein recht wüstes Kneipenlied zu singen.
When I come back from a mighty quest
I have no need for sleep or rest
I head to a tavern for a drink
And get so drunk I cannot think
A wench by my side and a jug of mead…
Die Klingen der Fechter berührten sich leicht, so sanft wie zu einem Kuss. Dann griff Dwight von unten her an, führte eine rasche Attacke, die Hook mit einem schweren Schwinger seiner Klinge abwehrte, und wich vor einem raschen Hakenhieb zurück. Beide umkreisten einander lauernd. Der Pirat rümpfte die Nase. „Ich hätte passendere Musik gewählt, einen Tarantella vielleicht.“ Dwight stieß kurz mit dem Rapier vor, schnell wie eine Tarantel. „Ihr solltet die Musik genießen, sie wird Euer Requiem.“ Hook lächelte düster. „Zu sterben wäre auch nur ein neues Abenteuer.“ Dann griff er an.
James Hook war schlank, fast zu schlank für einen Löwen, aber immer noch um einiges größer und stärker als der Kojote. Der wusste, ein einziger Treffer mit der schrecklichen Sichelklaue oder dem massivem Breitschwert wäre schon sein Verderben. Aber der Vorteil des Spanischen Kreises war es gerade, keine Angriffsfläche zu bieten.
Der Löwe deckte zu Anfang Blackspell mit schnellen, präzisen Attacken ein. Schon bald musste er jedoch seinen großen Haken alle paar Sekunden für seine Deckung nutzen und Blackspell damit auf Distanz halten. Für einen wirklichen Fechtkampf war seine Waffe altertümlich und schwer im Gegensatz zu Blackspells fast zierlichem Rapier.
Blackspell hielt weiter mühelos Abstand, wenn er wollte, duckte sich ansonsten einfach unter einem wuchtigen Hieb hindurch und kam mit jeweils einem kleinen Schritt dem Piratenkapitän empfindlich nahe. Hook wich zurück und brachte mit einem Kreuzhieb seiner beiden Waffen Raum zwischen sich und Dwight.
Mit eiskaltem Auge umkreiste Blackspell den lauernden Löwen. Dann rannte er förmlich die wenigen Meter auf Hook in Schlangenlinien zu und griff von der Flanke aus an, hieb und stach mit der Geschwindigkeit einer Kobra, durchbrach mit seiner wirbelnden Klinge mehr als einmal die schwerfällige Deckung und trieb den großen Löwen zurück bis zur groben Steinwand. Der prächtige Federhut lag schon längst im Staub. Hook brüllte auf, seine gefürchtete Prothese schoss vor und hätte Dwight in zwei Hälften gehauen, wäre er nicht zurückgesprungen, er rollte sich geschmeidig ab und war schon wieder in Position. James Hook schritt langsam auf den Kojoten zu, das Schwert mit dem mächtigen Griffkorb senkrecht, um sein Handgelenk zu schonen. Fast schon zögernd setzte er zu einem hohen Hieb nach vorne an, wurde jedoch von Dwights Kontern gestoppt und musste vor einer neuen Attacke zurückweichen. Schwer atmend musste sich Hook eine neue Taktik zu Recht legen. Dass in letzter Zeit alle Gegner entweder klein und schnell wie Hornissen waren, zehrte an seinen Nerven. Dwight ließ ihm ehrenhalber einige Sekunden Verschnaufpause, dann setzte er nach. Einige Male trafen sich klirrend die Klingen, dann sah Hook seine Chance gekommen, und in einer eleganten Drehung wollte er den Kojoten mit Haken und Schwert von unten und oben gleichzeitig zerschmettern. Doch Dwight sah die Bewegung voraus, drehte sich einfach einmal um die eigene Achse – und stach dem Löwen in die ungeschützte Flanke. Schon musste er vor dem Breitschwert wieder zurückweichen, doch aus der tiefen Wunde sickerte Blut.
Es war seltsam bräunlich und dickflüssig. Hook gab einen erstickten Laut von sich und knickte ein. Wirr hing ihm seine Mähne um die Augen. Doch verging schnell dieser Moment der Schwäche, und mit einem kehligen Knurren richtete er sich an seiner Klinge wieder auf. Ein rotes Leuchten war in die blauen Augen getreten. Dwight Blackspell, der wieder fair gewartet hatte, griff mit schnellen Attacken an, die Hook diesmal jedoch alle blockte, aber dafür an Boden verlor. Dann setzte er mit der Klaue nach und trieb den Kojoten wieder ein paar Schritte zurück. Fast überrascht ließ Dwight von seinem Gegner ab. „Nicht schlecht, Kapitän.“ Der Löwe antwortete nicht, sondern warf mit einem Kopfrucken seine Mähne nach hinten. Gleich wünschte er, das nicht getan zu haben. Ihm wurde langsam schwindelig.
Der Kojote übernahm wie fast immer bei diesem Kampf die Offensive. Mit einer Seitwärtsbewegung täuschte er den Piraten, kam so unbeschadet durch den Todeskreis des Hakens und attackierte Hook abwechselnd von Links und von Rechts, seine Beweglichkeit voll ausnutzend. Sein Gegner blockte jeden Stoß bis auf den Letzen, er hatte sich selbst ausgehebelt. Blut lief am Toledostahl des Rapiers entlang. Für eine Sekunde kam Captain James Hook der Gedanke, dass er verlieren könnte. Aber den schob er ärgerlich beiseite. Er war der einzige Mann, den Flint je fürchtete! Welche Schule hatte er besucht? Was war er ihr schuldig bis zum Tode? Form wahren! Mit einem Wutschrei holte er zur Seite aus und sprang Blackspell förmlich an: „Floreat Etona!“ Den Kojoten nach den Regeln zu besiegen war unmöglich. Daher versuchte es Hook nun mit simpler Gewalt. Mit wilden Hieben seiner schweren Waffe versuchte er, die starke Deckung des Piratenjägers einfach wegzuschmettern, um sofort mit der Stahlsichel nachzusetzen. Laut klirrte Metal auf Metal, der Toledostahl musste mehr denn je seine Stabilität beweisen. Mit blutunterlaufenen Augen trieb der Piratenkapitän Dwight zurück; der versuchte durch schnelle Drehungen unter dem blitzenden Stuhl durchzutauchen.
Vergeblich, in Rage schlug Hook mit der Klaue Blackspells Klinge zur Seite und schmetterte sein Schwert herunter.
Haarscharf warf sich der schwarze Kojote zur Seite, und die massive Klinge durchschlug einen schweren Stuhl. Der Löwe schüttelte ärgerlich die geborstenen Reste von seiner Waffe, da griff der Piratenjäger wieder an, kalt und rücksichtslos. Denn jetzt war er wütend. Zum Verzweifeln schnell drehte er sich um den Löwen, der schwerfälliger wurde, je länger der Kampf dauerte. Einige letzte Attacken und Blocks: Dann führte James Hook benommen einen geraden, eleganten Stoß nach vorne aus. Wie in einer Fechtschule. Blackspell konterte mit einer Riposte und hebelte dem Löwen das Schwert aus den Tatzen.
Als letztes Mittel schoss der Haken nach vorn, der Kojote tauchte weg, und Hook riss der eigene Schwung mit, er stolperte über seine eigenen Schnallenschuhe und musste sich mit der großen Sichelklinge am Boden abstützen. Zwei Klingen legten sich an seinen Hals. „James Hook, mein Gefangener. Ihr wolltet es so.“ Der geschlagene Löwe atmete schwer. „Wohlan denn“, knirschte er mit den Zähnen, dann gab er sich einen Ruck und richtete sich auf. Dwights Auge war wie Eis. „Eine falsche Bewegung, und ihr seid Geschichte.“ James Hook lachte bitter. „Darum braucht ausgerechnet Ihr euch nicht bemühen.“ Er rang sich ein Grinsen ab und suchte nach seinem Hut. Frauke war so fair ihm diesen zuzuwerfen. Der Pirat danke mit einem höflichen Kopfnicken. „Ich könnte euch jetzt töten.“ Blackspell warf das ohne jede hörbare Emotion in den Raum. Hook hielt seinen schwarzen Hut in der linken und ordnete mit dem Haken die Federn neu. „Aber das werdet Ihr nicht tun.“ „Und warum nicht?“ „Zum einen, weil ihr trotz allem ein fairer Mann seid.“ Er machte eine Kunstpause und setzte umständlich den Hut auf seine lockige Mähne. „Zum anderen?“ Hook grinste breit und salutierte mit der Prothese. „ Na, was wäre das denn für eine traurige Welt ohne einen Kapitän Hook?“
Jaquard duSang spliss mit einigen Krähen Taue im Zwischendeck. Eine lästige und unangenehme Aufgabe, bei deren Ende man sich mit blutigen Handflächen allein noch glücklich schätzen konnte. Aber gerade deswegen schien es dem jungen Rotfuchs, dass besonders er sehr oft dazu eingeteilt wurde. Indes, er beklagte sich nicht, sondern sah es als Chance zur Abhärtung an. Als jemand die sonnendurchfluteten Treppen des Niedergangs zum Zwischendeck hinunter stapfte, sah er auf. Es war Cutter Pyle, der sardonische Schiffskoch. Ein Fuchs wie aus der Fabel, und dazu beängstigend geschickt mit dem Messer. Im Moment trug er jedoch eine fast schon saubere Schürze und ein blitzendes Messingtablett in den weißen Pfoten. Darauf dampften in Näpfen Paella, Tortillas und ein Steak in grüner Soße. Cutter Pyle hatte in Tortuga die Vorräte aufgestockt. Sogar eine Karaffe aus grünem Glas stand neben einem Zinnbecher. „Für wen ist das denn?“ Cutter grinste mit blitzenden Zähnen. „Das, mein neugieriger Artgenosse, ist das Essen für unseren erlauchten Gast ein Deck tiefer.“ „Was denn, für Hook?“ „Ganz genau, du Schlaufuchs.“ „Na hör mal! So was Gutes bekommen wir ja kaum!“ „ Du bist auch nicht so einen großen Haufen Geld wert.“ Fragend blickte Jaquard zu Pyle hoch. Der ließ sich zu einer Erklärung herab. „Unser Kapitän hat noch mal in seinem Archiv gestöbert. Ein paar uralte Steckbriefe waren dabei, am Anfang der ältesten Jahrbücher. Unsere reizende Hakenhand da unten hat in der Spanish Main ganz schön abgeräumt, zurzeit vom alten Morgan.“ Der junge Rotfuchs schnaubte unwillig. „Verarsch ich nicht. So alt kann keiner werden.“ „Aber das kann uns doch egal sein, oder? Der Kerl da unten schwört Stein und Bein, dass er es sei.
Und ist damit stattliche zwanzigtausend Piaster wert. Soviel hat die spanische Krone damals für ihn ausgesetzt. Und diese Belohnung wurde nie zurückgenommen.“
Jaquard pfiff beeindruckt durch die scharfen Zähne. Zögernd fragte er: „Du, Cutter? Kann ich ihm das Essen bringen?“ Der Koch musste lachen. „Neugierig, was? Wild bin ich nicht darauf, den Stewart zu spielen, hab ja noch was anderes zu tun…na, was soll’s. Aber das bleibt unter uns, ja?“ „Aye Sir!“, riefen die Krähen lachend im Chor. Der Rotfuchs knirschte mit den Zähnen. Er war mal wieder der einzige, der die gespielte Geheimniskrämerei nicht durchschaut hatte. Er schnappte sich das Tablett und balancierte es geschickt auf einer Hand bis zum Kiel.
Hier standen, im tiefsten Deck der ohnehin kleinen Alexandria eine lange Reihe grober Eisenkäfige. Dunkelheit, faulige Luft und ewige Feuchtigkeit machten diesen Ort nicht sehr gemütlich. Im ersten Käfig gleich neben der schmalen Treppe hockte im Halbschatten James Hook, „Blackspells Gefangener“. Der Mantel war etwas verdreckt, die Lockenmähne stumpf. Ansonsten wirkte der Pirat aber erstaunlich unbekümmert für einen Mann, der seiner Hinrichtung entgegensah. Seine einzige Sorge schien zu sein, dass sein kostbarer Federhut nicht in eine Pfütze am Boden fiel. Beim Klang der Messingschüsseln sah er auf. „Ah, Mittagessen. Was gibt es?“ „Ne Menge“, war Jaquards knappe Antwort. Er schob das Tablett durch einen Spalt am Käfigboden, den Napf und die Flasche reichte er durch die Stäbe. Dabei musterte er den seltsamen Löwen. „Wieso habt Ihr so altes Zeug an?“ „Hm?“ Hook sah an sich herunter. Dann lächelte er. „Ach so, das…“ Aus dem Schatten heraus leuchteten die hellblauen Katzenaugen und bemerkten Jaquards zuckende schwarze Nase. „Hast du Hunger? Iss ruhig, ich habe keinen Appetit.“ Der Fuchs zögerte. „Was wollt Ihr dafür?“ „Ein paar Minuten Gesellschaft, mehr nicht.“
Schließlich saß Jaquard neben den Gitterstäben und kaute an dem Stück Fleisch. Hook hatte sich etwas bequemer an den Käfig gelehnt. Den Haken hatte man ihm abgenommen, daher beschäftigte er sich damit, einzelne Federn von seinem Hut zu zupfen. „Also, deine Frage. Ich trage nicht „altes Zeug“. Für mich sind das neue Sachen. Für dich wiederum mögen sie altmodisch aussehen. Aber sag mal…“, Hook warf dem Fuchs einen kurzen Seitenblick zu, „welcher König regiert England?“ Jaquard überlegte kurz. „ König William.“ „Wenn ich jetzt sage: Als ich England verließ, und auch während meiner ganzen Laufbahn, herrschte Charles II. Wie reagierst du?“ Der Fuchs wich etwas von dem Käfig zurück. „Ihr seid verrückt. Der ist doch fast hundert Jahre tot.“ Hook lachte. „Aye, genau das denkst du dann. Aber ich lüge nicht, wozu auch? Die Wahrheit ist schon amüsant genug. Da fällt mir ein…was ist mit meinem Schiff?“ „Die Jolly Roger? Lag schon nicht mehr im Hafen, als Blackspell mit Euch zurückkehrte.“ Der Löwe knurrte. „Mit meinem Quartiermeister werde ich ein Wörtchen oder zwei zu reden haben…sei’s drum.“
Hook drehte eine Federquaste zwischen den Fingern. „Weißt du Jaquard, genauso verrückt mag es klingen, wenn man den Mörder der eigenen Familie als Vater sieht. Oder wenn man als wahrer Pirat in die Lehre dieses Blackspells geht.“ Der Fuchs sprang auf wie von der Tarantel gestochen. „Woher kennt Ihr meinen Namen?“
James Hook machte eine beruhigende Geste. Er wartete, bis sich Jaquard wieder auf Augenhöhe befand, dann sprach er weiter, mit ruhiger, fast sonorer Stimme.
„ Du magst zwar fast wie ein Mann aussehen, aber ein Stück weit Kind bist du noch. Und woher ich komme, ist mir, und allen die dort leben, die Möglichkeit gegeben, in die Herzen der Kinder zu blicken. Ich persönlich mache das sehr selten, es ist eine Gabe und eine Bürde gleichzeitig.“ „Das ist Zauberei!“ „Nein, es ist Magie, das ist nicht das gleiche.“ „Aber woher kommt ihr?!“ Der Fuchs war, ohne es zu wollen, fast bis an die Gitterstäbe gerutscht.
Hook schloss die Augen und zitierte mit betonten Silben einen kurzen Vers: “You know that place between sleep and awake? That place where you still remember dreaming?”
Jaquard starrte den Piraten verständnislos an. “Nimmerland. Never-Neverland. La Terre imaginère. Nenne es, wie du willst. Die Fantasie in den Köpfen der Menschen, der Lufthauch der Träume. Die Grenze zwischen Wunsch und Realität.“ „Ihr…kommt aus einem Traum?“ Die Augenbrauen des Fuchses waren irgendwo bei seinem Haaransatz. „Einfach ausgedrückt, ja. Und dorthin muss ich bald wieder zurück. Ich habe mir schon zu viel Freiheit genommen, diesen Ort überhaupt zu verlassen.“ Der Löwe sah auf, als Jaquard prustete.
„Und Elfen gibt es da bestimmt auch?“ Hook verzog das Gesicht. „Ich hasse diese Dinger.“ Jaquard stand unvermittelt auf. Erbost sammelte er das Geschirr ein.
„Ihr macht euch über mich lustig! Oder ihr seid krank! Ich werde das dem Kapitän melden!“ Er wollte schon gehen, als ihn eine Pranke an seinem Gürtel packte. „Du bleibst hier! Sehen heißt glauben, nicht wahr? Wenn du jetzt kurz stehen bleibst, wirst du glauben müssen, weil du sehen wirst!“ Beeindruckt von der Intensivität in Hooks Stimme verharrte der Fuchs, als sich die Finger von ihm lösten. Der Löwe steckte seine linke Hand in seinen Kapitänsrock und zog sie wieder heraus. Zur Faust geballt, wandte er sie zu Jaquard. „Du bist dir sicher, dass ich existiere?“ „Ich sehe Euch, und ich könnte Euch auch anfassen. Natürlich. Aber…“ Hook öffnete die Pranke. Ein goldenes Leuchten ging von der Handfläche aus. Fasziniert kam der Fuchs näher und sah feine Körner, wie Sand. Sie waren golden, oder diamanten, oder irgendetwas anderes.
„Sehen heißt glauben.“ Hook blies dem Fuchs den glänzenden Staub ins Gesicht. Ein warmes, leichtes Gefühl breitete sich in dem Rotpelz aus, ihm wurde angenehm warm, schmerzende Handflächen, Hunger, ja sogar das Empfinden von Körperlichkeit fiel von ihm ab. Ihm war, als könnte er fliegen. Dann holte ihn die Realität wieder ein, und schwer wie ein Stein sank er zurück in die harte Existenz.
Verblüfft starrte er den Löwen an. „Feenstaub“, meinte der nur knapp. „Ich sehe, ich habe nun deine Aufmerksamkeit…Ein Junge wird so in dreihundert Jahren auf jene Insel kommen, und er wird sie als Erwachsener in einem Buch festhalten, so wie er sie sah. Ich werde Teil dieses Buches sein.“ „Das erst geschrieben wird?“ Der Löwe wurde nachdenklich, und sprach fast zu sich selbst. „Genau. Aber existieren wir dort, weil er das Buch schreiben wird? Oder schreibt er das Buch, weil wir alle schon da sind? Das was war, wird erst sein, und das Jetzt ist schon Vergangenheit…die Zeit ist eine seltsame Sache…“
„Das…ist mir alles etwas zu hoch.“
Hook lachte, und dieses Mal aus vollem Halse. „Tut mir Leid, Junge! Da fasle ich vor mich hin, und komme ganz vom Kurs ab. Was ich sagen will, ist folgendes: Du warst auch auf dieser Insel, Fuchs.“ „Ich?“
„Natürlich, da warst du noch ein kleines Kind. Es ist normal, das zu vergessen. Aber du bist im Vergleich selten dort gewesen, deine Kindheit war nie besonders Fantasie anregend.“ Jaquard senkte den Blick.
Hook hob den Zeigefinger. „Aber das macht nichts, wenn du nur deine Träume in dieser echten Welt verfolgst. Du kannst scheitern oder nur teilweise Erfolg haben, das ist egal. Aber wegwerfen darfst du sie auf keinen Fall, verstehst du?
„Wieso…wieso sagt Ihr mir das?“ Jaquard hatte feuchte Augen. Der Piratenkapitän stieß die Luft zwischen den Zähnen aus und überlegte kurz. „Seitdem ich die Welten gewechselt habe, hat sich viel verändert. Ich kämpfte mit Morgan an einer Seite. Wir haben gemeinsam mit den besten Kapitänen den Kodex verfasst. Und nun? Sieh sie dir an! Black, dieser Popanz Alvarez, und vor allem Singh. Das sind keine Piraten mehr. Wir waren die Brüder der Küste. Aber das, das sind nur noch Schlächter, jeder für sich. Und daher brauchen wir dich.“ „Mich?“
„Ja. Dich. Du bist tapfer, fair, du wirst einmal großer Kämpfer sein. Und dennoch ein guter Mann bleiben. Ich vertraue dir noch etwas an.“ James Hook kam näher an das Fuchsohr und raunte: „Blackspell hat verloren. Er und Johnson, und wie sie alle heißen werden. Sie können unsere Knochen zermalmen und unsere Asche verstreuen, aber uns wird man nicht vergessen! Der Jolly Roger wird noch in tausend Jahren in den Köpfen der Menschen über weißen Stränden und prächtigen Schiffen wehen! Aber dazu brauchen wir jeden guten Mann, der hilft, uns zu einer Legende zu machen. Unsere Verbrechen werden verblassen, aber unser Wesen, unser Traum von Freiheit, der wird überdauern. Vergiss du deinen Traum nicht, Jaquard! Woran du glaubst!“
Erschöpft lehnte sich der Löwe an die Gitterstäbe. „Geh jetzt. Mir geht es nicht besonders gut…aber vergiss nicht, was ich dir gesagt habe!“
„Wo ist er hin?!?!“ Tobend stürzte Miguel aus dem Bauch des Schiffes ins Freie. Blackspell sprang die Treppen zum Achterdeck herunter. „Was ist los?“ Miguel schnappte nach Luft: „Señor Capitan, er ist weg!“ „Wer?“ „El Capitan Garfio! Hook! Der Käfig ist leer!“
Das gesamte Schiff war bereits durchsucht worden, jeder noch so kleine Winkel. Im Kielraum hatte sich ein kleiner Zusammenlauf von Krähen gebildet.
Blackspell brauchte gar nicht erst die Käfigtür aufzuschließen. Der Vogel war ausgeflogen.
„Das war der Frosch!“, rief eine Stimme. Cutter suchte den vorlauten Matrosen und starrte ihn nieder. „Weil ich ihn das Essen runter bringen ließ? Red’ keinen Quatsch, er hatte die Schlüssel nicht, und so kräftig ist er nun auch wieder nicht die Stäbe aufzubiegen, oder?“
Miguel kratzte sich am Hinterkopf. „Hol’s der Teufel, wie kam er da heraus?“ Blackspell sah das ganze praktischer. „Draußen ist er ja wohl. Aber wo ist er hin? Beiboote fehlen auch keine.“
„Dwight!“ Frauke van Geest kam die Treppe herunter und stoppte, als sie das Gewimmel bemerkte. „Was gibt es denn noch?“ „Der Haken ist weg! Das Schwert auch! Das Zeug hatte ich doch gestern in der Waffenkammer eingeschlossen. Und heute Morgen waren sie weg!“ Stille trat ein.
„Jetzt wird’s verrückt“, sagte jemand nach einer Weile. Der Kojote musterte die Runde. „Sicher, dass das Schiff gründlich abgesucht wurde?“ Alle Köpfe nickten.
„Das war ein Gespenst.“ Niemand konnte im Nachhinein sagen, wer als erster diese Worte sprach. Schon brach ein Tumult aus. Blackspell sorgte rasch für Ruhe. „Kein Wort davon zu niemanden, oder wir können uns nirgends mehr blicken lassen, savy? Sagt es jedem Kameraden: Das hat alles nicht stattgefunden. Wir haben jetzt wichtigeres zu tun, was ist schon ein Gespenst im Vergleich zum Teufel persönlich?“
Damit meine er Singh, das war jedem klar. Zögernd verlief sich die Menge. Einzig Deadlock, der spät dazugekommen war und etwas verwirrt die Worte des Kojoten gehört hatte, sah sich noch im Raum um. Im quadratischen Lichtkegel des Aufgangs blitzte es. Goldene Körnchen stiegen vor dem verdutzen Ziegenbock hinauf ins Licht, und verschwanden in der Helligkeit.
Ende
Coyotero prefers characters inspired by dark, mostly japanese antiheroes and killers. I am mostly influenced by Treasure Island, old movies and Hook's pirates. I thought it would be somehow funny to let those two worlds crash together. Enjoy.
Die Alexandria durchsegelte nur unter den Focksegeln die südlichen Gestade Puerto Ricos. Als die Sonne einem rot glühenden Feuerball gleich in ihrem Heck unterging, erstreckte sich vor den Krähen nur noch die unendliche Weite des Atlantiks. Neben dem Steuermann standen Miguel und Blackspell am großen Kompass und musterten eine Seekarte der Karibik. Dwight Blackspell, freier Piratenjäger und Meister des spanischen Kreises war enttäuscht ob ihrer letzen Fahrt. Die großen Antillen wurden dank der Navy ihrer britannischen Majestät König William III. von Ernst zu nehmenden Piraten zunehmend gesäubert. Daher hatten sich die Krähen entschieden, entlang der amerikanischen Küstenlinie zu kreuzen, um Edward England oder Thomas Tew zu fassen. Diese hatten sich jedoch, wie die Alexandrier erst später erfuhren, nach dem Indischen Golf aufgemacht. Die Karibik wurde langsam, aber sicher zu heiß für die Brüder der Küste.
Gerade als der Steuermann in die Speichen des Ruders griff und die Freiwache in die Wanten geklettert war, tönte ein Ruf vom Krähennest: „Boot ahoi! Bugwärts!“
Mit berufsbedingter Schnelligkeit richteten sich ein halbes Dutzend Fernrohre auf die Kimm.
„Das ist tatsächlich nur ein Boot, señor capitan. Ein Ruderboot.“ „Das sehe ich selbst, Master Miguel“, versetzte der schwarze Kojote etwas barsch. „Fragt sich nur, woher mitten in Ozean ein Beiboot kommen soll. Aber sei’s drum…“, der Kojote klappte das Fernrohr zusammen, „Wir werden es bald wissen. Sie versuchen Kurs auf uns zu halten. Nehmen wir ihnen die Mühe ab.“ Miguel zögerte kurz. „Soll ich gefechtsklar machen lassen?“ Dwight musste lächeln „Wegen einem Dingi? Wenn sie Schiffbrüchige sind, erübrigt sich das…und sollte das ganze ein Trick sein: Mit den paar Mann werden wir wohl noch so fertig.“
Frauke van Geest stand neben Dwight und Miguel, auf dem Hauptdeck die Freiwache der Alexandria und alle, die sich irgendwie vor ihren Pflichten drücken konnten. Unter den hart gesottenen Männern standen auch Deadlock, offiziell eine Geisel, aber eigentlich Gast der Krähen, sein Neffe Batiston und ein junger Rotfuchs. Dieser war früher in der Seeräubermannschaft des Chevalier und trug nach dessen gewaltsamen Ableben nur noch schwarz am Körper, sofern er denn mehr als nur eine Hose trug.
Allmählich, dann, mit aufkommenden Wind immer rascher, wurde der Klecks am Horizont größer, nahm Form an, und nur noch wenige dutzend Meter von dem Piratenjäger entfernt drehte ein relativ kleines Rettungsboot mit blauem Rand und drei erschöpften Männern darin bei. Der Wellengang ließ die Nussschale auf und ab hüpfen wie einen Korken, aber gerade noch konnten die Insassen, ein alter Dachs, ein Hase, offenbar am Rande der Hysterie und eine ausgemergelte Ratte, das Boot am kentern zu hindern.
„He, Boot ahoi! Wer seid ihr?“ „Ahoi! Von der Edinburgh! Wir sind die einzigen Überlebenden! Um Gottes Willen, helft uns!“ Dwight wechselte einen kurzen Blick mit Frauke. Die nickte. Auf einen lauten Befehl hin flogen dem Dingi mehrere Seile entgegen.
Gekonnt fing der Rattenmann zwei Seile und verknotete sie rasch am niedrigen Bug, einige Krähen begannen zu ziehen und schon nach wenigen Sekunden schlug das Dingi an die Backbordseite der Alexandria. Die drei Ruderinsassen kletterten, der Hase mit Mühe, eine Strickleiter empor. Das Fallreep hatte man nicht extra ausgeworfen.
Umringt von den martialischen Piratenjägern standen die Geretteten etwa unsicher beieinander, bis sich Blackspell als unverkennbarer Anführer durch seine Mannschaft schob.
„Ahem…ich denke, wir stehen tief in Eurer Schuld, Kapitän.“ Der Dachs hatte seinen geteerten Hut abgenommen und verneigte sich linkisch vor dem Kojoten. „Hättet Ihr uns nicht aus dem Meer gefischt, nun ja…noch etwas länger, und Davy Jones hätte uns gehabt. Dank natürlich euch allen!“, fügte er mit freundlicher Miene und Blick in die Rund hinzu, um die Mannschaft nicht zu übergehen.
Die Krähen murmelten Worte wie „gern geschehen“, „keine Ursache“, und auch Dwight winkte ab. „So viel Mühe war’s dann doch nicht“, meinte er kurz. „Interessieren würde uns eher, was ein kleines offenes Boot auf hoher See verloren hat.“ „Piraten, Sir.“ Auf einen schlag war das Gemurmel dem gespannten Schweigen gewichen – jetzt ging es ums Geschäft.
„Wie groß war ihr Schiff? Wie viele Männer, ungefähr? Und in welche Richtung sind sie gesegelt?“ Dwight kam ohne Umschweife zur Sache.
Die Ratte ergriff das Wort. „Eine voll bemannte Galeone. Ziemlich altmodisch, so was habe ich zuletzt auf dem Trockendock in Lissabon gesehen.“ „Hm.“ Blackspell kam das sehr komisch vor. Piraten versuchten stets auf modernsten und schnellsten Schiffen zu segeln – Galeonen hingegen waren schon seit fast vierzig Jahren veraltet, und selbst die spanische Krone verwendete sie nur noch zu rein repräsentativen Zwecken. Dieser Punkt ließ ihn wieder misstrauisch werden; sein verbliebenes Auge schien das zu spiegeln, denn nervös ruckten die drei Matrosen zusammen. Frauke versuchte zu vermitteln. „Ihr braucht euch nicht zu schämen. Schon Tausende wurden wie ihr überrumpelt, da bedarf es keiner Übertreibung – außerdem können wir Lügner nicht ausstehen, savy? Stehlt uns nicht unsere Zeit.“ „Ich weiß ja, das klingt unglaubwürdig“, warf der Dachs ein und strich sich nervös den Backenbart, „aber es ist die reine Wahrheit, ehrlich.“ „Na sei’s drum. Woher kam dann dieser schwerfällige Kahn so plötzlich, dass ein modernes Westindienschiff nicht entkommen konnte?“
Jetzt wechselte das Trio einen bestürzten Blick und schwieg. „Also? “ Dwight hatte die Arme verschränkt und knurrte leise. Frauke, die neben ihm stand, wusste, dass er nur einen winzigen Hauch davon entfernt war sie einfach über Bord zu werfen.
„Nun jaaaa….“, begann der Rattenmann und kratze sich am Kopf. „Die Sache ist so…“, meinte der Dachs. Beide zögerten. „Aus dem nichts!! Aus weißem Licht am Himmel!“, platzte der Hase heraus.
Schweigen. Dann dröhnendes Gelächter.
Ein scharfes Bellen brachte alle zum Schweigen. Der schwarze Kojote packte den zitternden Hasen grob am Schlafittchen und riss ihn nach oben, kurz vor seine Schnauze. „Ich finde das gar nicht komisch, du…“ „Er hat Recht, Sir.“ Der Dachs kam seinem rotberockten Kameraden zu Hilfe. „Ich schwöre was mir heilig ist, er lügt nicht!“ Auch die Ratte bestätigte das Gesagte. Captain Blackspell hatte schon viele Ausreden, Lügen, Flunkereien und Übertreibungen gehört – aber das schlug dem Fass einfach die Krone ins Gesicht.
Nach Fassung ringend presste er Daumen und Zeigefinger auf die Schnauzenwurzel und atmete tief durch. „Also, eine Galeone taucht aus dem nichts auf, entert euch, und dann? Wieso seid ihr noch am Leben?“ Der Rattenmann musterte seine Handrücken. „Alle wurden abgeschlachtet. Wir haben den Fehler gemacht uns zu wehren…die Überlebenden hat man über die Planke geschickt. Uns drei hat man übrig gelassen.“
„Warum?“ Der Dachs spann den Faden weiter. „Sir, der Kapitän der Seeräuber rief uns zum Achterdeck.“ „Wer war es? Wie sah er aus?“ „Er saß im dunklen. Aber manchmal glühten zwei Zigarren auf.“ „Was denn, zwei?“ „Ja, zwei! Dann glänzte es metallisch. Und seine Augen waren kalt wie Eur…kalt wie Eis.“
„Und, und, und“, stammelte der Rammler, „und er hat gesagt, dass wir gehen könnten, wenn wir eine Nachricht überbringen.“
„Die da wäre?“, fragte Miguel barsch dazwischen. „W...wir sollten der Welt verkünden, d…dass Hook…“ – „Captain Hook…“ – „Captain James Hook wieder unter den Lebenden weile!“
„Das ist doch totaler Blödsinn!“ Frauke van Geest, ein recht burschikoses Otterweibchen, lehnte am Heckfenster und hielt mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. „Ein Schiff, das seit Jahren ein Wrack sein müsste, das fliegt und ein ominöser Kapitän, der Wert darauf legt seinen Namen zu nennen und zwei Zigarren auf einmal raucht. Haben wir’s so nötig, uns mit so einem Mist zu befassen?“ Ein warnender Blick Blackspells brachte sie zum Schweigen. „Ich muss dich daran erinnern, dass wir JEDER Fährte eines einigermaßen wichtigen Piraten nachgehen. Anders herum gefragt:“, Dwight legte die Füße auf seinen Schreibtisch und sah in die Runde, „Wer hat schon einmal etwas von diesem Hook gehört? Ich muss da passen.“
Der Kriegsrat in der großen Heckkabine der Alexandria bestand aus Dwight, Frauke, Miguel, und ungewöhnlicherweise auch aus Deadlock und Cutter. Ersterer war ein eher glückloser, aber charismatischer Pirat und eigentlich als Geisel and Bord, der andere, ein machiavellischer Fuchs, offiziell nur Koch. Doch beide waren in der Halbwelt der karibischen See äußerst erfahren – und daher mit von der Partie.
Miguel schüttelte nur den Kopf. Cutter überlegte kurz, und verneinte ebenfalls. Frauke winkte ab; nur Deadlock grinste und zupfte auf seiner Laute, die er stets mit sich herumzuschleppen schien.
„Mates, das zeigt mal wieder, wie jung ihr noch seid – und dass ihr ja so was von keine Ahnung habt!“ Cutter hob eine Augenbraue. „Hättet ihr dann die Güte uns arme Unwissende aufzuklären?“
Der Ziegenbock lachte meckernd und setzte sein Instrument an. Schnell spielte er die ersten Takte eines ziemlich guten Rondos. „Das ist von ihm, zumindest hat man mir das gesagt. Ich war selbst höchstens drei oder vier Jahre alt, da war James Hook ein Piratenfürst. Im ersten Rat der Sieben ... Ich glaube, Snapjaw dürfte ihn noch persönlich kennen. Hook war der engste Vertraute vom alten Morgan, und man sagt dass er der einzige Mann war, den Barbecue und Flint jemals fürchteten. Einige Absätze in unserem Kodex sind von Hook’s eigener Hand niedergeschrieben. Er soll damals plötzlich verschwunden sein, und niemand hat jemals wieder von ihm gehört. Aber das tut alles wenig zur Sache. Selbst wenn der Kerl damals nicht mit Mann und Maus abgesoffen ist - dann wäre er jetzt älter als Methusalem. Unser Mann kann das einfach nicht sein, savy?“
Miguel griff sich einen Zinnbecher und nippte am Inhalt. „Dann ist es ein Betrüger. Vielleicht so ein loco wie Bonnet, irgendein gelangweilter Dandy, der zu viele Romane gelesen hat. Er kauft ein abgetakeltes Schiff, heuert ein Paar Halsabschneider an und spielt den Piraten.“
Dwight Blackspell verzog das Gesicht. „Eine andere Möglichkeit gibt’s da wohl nicht. Also, ich denke, wir…“
„Das ist sehr schlicht gedacht, oder?“ Frauke meldete sich wieder zu Wort. Miguel war beleidigt. „Ah si? Und was wäre so dumm daran?“
Cutter nahm ihr die Antwort ab. „Sie hat Recht. Denkt doch mal nach! Wir wissen wahrscheinlich mehr über Piraten als die meisten dieser Lumpen selbst! Und trotzdem, ohne Deadlock hier hätten wir auch keine Ahnung gehabt, wer Hook überhaupt ist!“ „Genau! Was hat es denn für einen Sinn“, fuhr Frauke wieder fort, „sich den Namen eines Kapitäns zuzulegen, den niemand mehr kennt? Dann kann man’s doch gleich lassen, oder?“
Dem konnte keiner widersprechen. Nach einigen Sekunden des Schweigens, in denen überlaut die Geräusche des arbeitenden Schiffes zu ihnen durchdrangen, klopfte Dwight abschließend auf den Kartentisch und erhob sich. Eine Kartenrolle hervorkramend, wandte er sich an seinen Kriegsrat. „Uns bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir werfen unsere Schiffbrüchigen im nächsten Hafen von Bord und vergessen das Ganze. Oder wir versuchen, unser Phantom zu greifen - und vielleicht ein ordentliches Sümmchen zu kassieren.“ Das Ganze war mehr eine Feststellung denn eine Frage. Deadlock lachte und griff sich den Zinnkrug. „Na dann: Auf Captain Hook! Möge er blühen und gedeihen!“
Misstrauisch äugte die Otterdame zum alten Ziegenbock herüber. „Seit wann bist du denn auf unserer Seite?“ Unverschämt grinste sie Deadlock an. „Wer sagt, dass ich’s bin?“
Schnell wie ein Pfeil von der Sehne schoss das Schiff der Krähen durch die südliche karibische See. Blackspell folgte einer Blutspur der Zerstörung wie ein Jagdhund. Mit jedem Tag verringerte sich der Abstand zu einem Schiff, das fehlende Wendigkeit durch bloße Feuerkraft und eine brutale Crew wettmachte. Fast überall, in kleinen Küstenstädtchen und auf umher treibenden Schiffswracks, war keine lebende Seele mehr zu finden. Etwas überraschte es die abgebrühten Piratenjäger, dass aber manchmal ganze Mannschaften unverletzt in den Beibooten übers Meer ruderten. Sie hatten sich ohne Kampf ergeben und wurden sogar zuvorkommend von einem Kapitän behandelt, der „ein wahrer Gentleman“ sei. Die Alexandria verlor jeweils wertvolle Tage, um die ungebetenen Gäste wieder an Land zu schaffen. Aber dafür sammelte Dwight, Stück für Stück, die Mosaikteile seines aktuellen Gegners.
Endlich, nach fast zwei Wochen, rief der Ausguck ein großes Schiff aus.
Die Nacht zuvor war ein schweres Gewitter niedergegangen, am Horizont, noch vor der Galeone, bildete sich eine dichte, fast schwarze Nebelwand. Das kümmerte jedoch keinen: Die Alexandria wird das Schiff noch weit vorher eingeholt haben.
Fast sehenden Auges schmolz der Abstand dahin. Schon ragte das schmutzige weiß der Segel über die Kimm, die dunklen Masten wuchsen empor, schließlich der Rumpf. Nach nur drei Stunden konnte man das Schiff nur wenige Meilen entfernt ohne Fernglas deutlich sehen. Schnell und effizient wandelte sich der Schnellsegler zu einem todbringenden Ungetüm. Beinahe ausgelassen scherzten die Krähen und machten Scherze, nur Dwight Blackspell allein war ernst und kalt wie vor jedem Kampf.
Bis jetzt war an Bord der Galeone alles ruhig geblieben. Aber dann flogen in einem einigen Donnern sämtliche Stückpforten auf, schweres Geschütz schob sich bedrohlich ans Tageslicht. Das hohe, schmale Ruderblatt drehte sich und das schwere Schiff ging stampfend vor den Wind, um einen besseren Schusswinkel zu haben. Dabei blitze unter einem etwas naiv gemalten Totenkopf mit gekreuzten Knochen am schwarzen, hohen Heck ein goldener Namenszug auf: Jolly Roger.
Am Flaggenstock stieg die schwarze Piratenfahne empor. Die Alexandria drehte schnell ab und segelte unter dem Heck der Galeone vorbei in deren toten Winkel, ohne ein Risiko wollten die Krähen so das Schiff entweder entern oder dessen Ruder wegschießen.
Ein Flammenstoß blitzte vom Achterdeck der Jolly Roger auf, einen Lidschlag später dröhnte das gewaltige Donnern einer Pulverexplosion über das Wasser. Nur die schnellsten Augen sahen eine riesige Kugel, die wie ein schwarzer Komet in den bewölkten Himmel schoss, eine steile Kurve formte und dann wenige Meter neben dem Piratenjäger ins Meer einschlug. Die Wassersäule reichte fast bis an die Mastspitzen und klatschte über die Bordwand. Die Alexandria holt über, alles suchte nach einem festen Griff. Einige weniger geschickte Krähen wurden umgerissen und kullerten über das Deck. „Was zum Teufel war das?“, brüllte Deadlock über das Geschrei und den Lärm des arbeitenden Schiffes hinweg. „Das muss ein Mörser gewesen sein!“, rief Blackspell zurück. „Und zwar ein verdammt großer!“ Miguel stieß etwas grob den Steuermann beiseite und griff in die Speichen. Frauke wandte sich wütend um, als das schnelle Schiff vom Kurs abkam und vor den Wind ging. „Master Miguel, was tut ihr da?“ „Willst du, dass wir alle draufgehen, Señorita? So kommen wir an die nicht
ran!“ „Er hat Recht“, schaltete sich Dwight ein. „Vor seine Breitseite dürfen wir gar nicht erst kommen, und ans Heck…da müssten wir schon sehr viel Glück haben!“ Wie zur Bestätigung und Antwort donnerte der Piratenmörser wieder los, das Geschoss heulte laut durch die Luft und detonierte diesmal in der Luft, knapp oberhalb der schwerer werdenden Wellen. Obwohl auch diesmal der Schuss weitab des Piratenjägers niederging, durchlöcherten zahlreiche Schrapnellkugeln den Rand der Segel, einige durchschlugen hell krachend die Bordwand. Ein drahtiger Terrier schrie auf und kippte aus Deck, ein Unterschenkel nur noch eine blutige Masse. „Runter mit ihm ins Krankenrevier! Streut Sand aus!“ Schnell und überlegt gab der Kojote seine Befehle, dann griff er in einer Atempause nach seinem Fernrohr. Das schwankende Deck ausbalancierend richtete er das Glas auf die dunkle Galeone. Stampfend hielt die Kurs auf die dichte Nebelbank, die letzen Rauchwolken ihres Mörsers hinter sich lassend. Trotz des veränderten Winkels blitze es erneut hinter dem hohen Heck auf. ‚Das Ding ist schwenkbar!’ schoss es Dwight durch den Kopf, hektisch griff er ins Steuerruder und drehte so schnell ab wie er konnte. Die schwere Mörserkugel schlug wenige Sekunden später genau dort ins Wasser ein, wo sich die Alexandria ansonsten befunden hätte.
Endlich lag der Piratenjäger auf Parallelkurs zur Jolly Roger. Das schwere Geschütz war nun nutzlos für die Piraten, denn jetzt würden sie sich beim nächsten Schuss den eigenen Fockmast wegschießen. Geübt schnell behoben die Krähen die Schäden an ihrer Takelage und schrubbten das Blut ihrer wenigen Schwerverletzten vom Deck. Trotzdem herrschte eine aufgewühlte Stimmung auf den nassen Decks.
„Das war’s“, meinte Deadlock trocken. Das Piratenschiff war schon merklich kleiner geworden und tauchte langsam in die Nebelwand ein. Noch wenige Wellenschläge, dann war es verschwunden, verraucht wie ein schlechter Traum.
„Wenn wir denen jetzt nachsetzen, haben wir sie locker vor Einbruch der Dämmerung eingeholt!“ Frauke strich fast fiebrig mit den Fingern über ihren Bootshaken. Dwight zog sich einen Splitter aus dem Unterarm und schüttelte den Kopf. „Oder sie uns. Diese Jolly Roger ist alt und langsam, aber ich fürchte, dass ein Volltreffer für uns schon reicht. Das Risiko gehe ich nicht ein, solange wir Singh als Hauptziel haben….“ „Du hast doch nicht etwa Angst?“ Der Kojote knurrte und warf ihr aus seinem verbliebenen Auge einen bösen Blick zu. „Nein, ich habe dafür Verstand.“ Er nickte mit der Schnauze in Richtung der verschwundenen Galeone. „Wohin sollen die schon segeln? Das Schiff ist zu groß, unser geheimnisvoller Kapitän kann nicht in irgendwelchen flachen Buchten ankern. Allein in den letzten Tagen hat er aber britische, französische, spanische und ein holländisches Schiff gekapert, savy? In deren Häfen will oder kann er also auch nicht, nicht mal nach Port Royal. Also, was bleibt?“ Das Ottermädchen bedauerte es, den Bogen überspannt zu haben. „Tortuga. Nicht wahr?“
„Genau. Zumal der Wind nach Südwest weht.“ Frauke legte ihre Pfote fast schüchtern auf Dwights flachen Bauch. Besänftigt zog er sie fest an sich und küsste sich lange…Jaquard, der mit Batiston das Deck schrubbte, machte heimlich Würgegrimassen und erntete dafür einen Rippenstoß.
Tortuga, eine kleine Insel nördlich von Hispaniola. Ein gesetzloser Ort, verkommen, schmutzig, fast so gefährlich für die Einwohner wie für die Gäste. Aber Heimathafen und Zufluchtsort für alle, die ihre Freiheit der Sicherheit eines geregelten Lebens vorzogen.
Als die Alexandria düster und bedrohlich in den natürlichen Hafen einfuhr, und eine kleine Elitetruppe an Land ging, stoppte jedes Treiben. Dwight Blackspell war hier verhasster als sonst irgendwo. Aber die Furcht vor den Krähen und ihrem titanischen Kapitän verhinderte jeden Angriff, dennoch, wenn Blicke töten könnten, keiner der Piratenjäger hätte länger als eine Minute in der Piratenenklave überlebt.
Frauke van Geest stupste den Kojoten an und deutete auf eine verfallene Mole. Dort lag, in seiner ganzen Pracht, die Jolly Roger vertäut. Am Heck wehte träge im sanften Wind die schwarze Flagge. Tatsächlich glänzte eine große Haubitze auf einer schwenk- und drehbaren Lafette. Dwight nickte und ging ein Stück weiter, schob sich durch das Gewühl der Händler und hielt eine Hand auf dem Griff seines Rapiers. Er sprach eine junge Schäferhündin an, die auf einem tragbaren Grill heiße Pasteten verkaufte. Gegen einige kleine Münzen war sie bereit, ihm Auskünfte zu geben. Unauffällig drehte sie sich halb zur Wand, als ob sie ihre Ware vor dem Gedränge schützen wollte und ließ die Silbermünzen in ihrem Ausschnitt verschwinden.
„Wie viele Männer sind noch an Bord?“ „Weiß nich’ genau, so zwanzig etwa.“ „Und die anderen?“ „Treiben sich überall hier herum, die haben Geld wie Heu!“ Kein Wunder, bei dem Arbeitspensum, dachte Blackspell. „Und der Kapitän?“ „Ein echter Gentleman, wirklich. Ein bisschen aus der Mode der Gute, aber Manieren wie ein feiner Herr.“ Sie schlug fast kokett die Augen nieder. „Wo ist er?“, präzisierte Dwight knapp. Der Kerl konnte tausend Hände oder keine und Casanova persönlich sein, das war ihm noch reichlich egal. Er prägte sich sein Bild eines Mannes erst, wenn er ihn leibhaftig vor Augen sah.
„Er sitzt mit einigen seiner Leute im Admiral Benbow, da war er zumindest vorhin noch…und danach wollten sie ins Nancys.“
Wortlos sah sie der grimmigen Schar nach, die ihre Klingen lockerten und entschlossenen Schritts die verdreckte Straße davon stapften. Weit mussten sie nicht gehen. Schon von weitem wurde ihnen ein Lied entgegengeschmettert, das schnell lauter wurde:
"Yo ho, yo ho, the pirate life, The flag o' skull and bones, A merry hour, a hempen rope, And hey for Davy Jones."
Das dichte Gedränge der zahllosen Passanten teilte sich wie das biblische Meer und machte einer seltsamen Prozession Platz.
Vorneweg ein stattlicher italienischer Kater, misstrauisch nach links und rechts blickend, um die Hüften eine lange Seidenschärpe, die breiten Arme nackt, schwere Goldmünzen an den Ohren. Ihm folgte ein geradezu hünenhafter schwarzer Schakal, der ein ganzes Arsenal an orientalischen Dolchen in breiten Ledergürteln mit sich trug. Dahinter ein Dalmatiner, in einen verlotterten, einst prächtigen Gehrock gekleidet, auf den Kopf eine schmutzige weiße Zopfperücke. Die nachfolgenden drei Männer, zwei fast identisch aussehende Wiesel mit vernarbten Fell und ein finster blickender Keiler, dessen Schwarte über und über tätowiert war, zogen einen primitiven Karren. In diesem Karren saß, bequem zurück gelehnt, ein graupelziger, fast weißer Löwe. In einen schwarzen Justaucorps mit weiten Ärmeln gehüllt, deren einziger Schmuck blutrote Zierborten waren, bot er ein Bild veralteter Eleganz. Seine geradezu extravagant lange Mähne fiel ihm in schwarzen Wellen weit über die Schultern, sein breiter Federhut war an einer Seite hochgeklappt und von einem fast handtellergroßen Diamanten fixiert. Blasiert, mit melancholischen, fast hellblauen Augen blickte er gedankenverloren ins Leere und rauchte an einen kurzen silbernen Halter, in dem zwei Zigarren gleichzeitig Platz hatten.
Am auffälligstem jedoch war eine riesige sichelartige Klinge, die aus dem Spitzenärmel anstelle der rechten Hand herausragte. Damit gab er die Geschwindigkeit vor und trieb seine Leute an. Er behandelte sie wie Sklaven, und sklavisch gehorchten sie ihm.
Den Abschluss der Reihe bildete ein dickes Hausschwein, das die besten Jahre schon hinter sich hatte. Der Eber polierte immer wieder, die Augen zusammengekniffen, eine verbeulte Nickelbrille, ansonsten half er eher symbolisch beim Schieben des Karrens. Die Piratenjäger stießen sich in die Rippen und nickten einander zu. Die Krähen hatten ihre Beute gefunden.
In Nancys Harbour Tavern ging es hoch her wie immer. Dwight Blackspell hielt seine ungeduldigen Leute noch eine Weile im Zaum: Betrunkene Gegner waren noch leichter zu fangen. Erst als die verrostete Turmuhr eines verwüsteten Gotteshauses die halbe Stunde schlug, nickte er nur kurz und stieg als erstes die schmalen Steinstufen hinunter, die in die Höhle des Löwen führten.
Dicke Luft, alkoholgeschwängert und verräuchert, schlug ihnen entgegen. Erste Gespräche verstummten, als man die Krähen erkannte. Frauke warf einigen Musikanten einen eindringlichen Blick zu, die daraufhin unvermindert weiterspielten. Die meisten Gäste zogen es vor, paarweise das Weite zu suchen, oder wollten einfach nur nicht mit dem finsteren Blackspell in einem Raum sein. Schon nach wenigen Minuten waren außer den Musikanten und den Wirtsleuten nur noch die Männer der Jolly Roger und die Krähen im Raum.
Die Musikanten verstummten nacheinander, bis schließlich ein letztes Jaulen einer Querflöte verebbte. Inmitten der plötzlich einsetzenden Stille dröhnte die an sich leise Stimme des Löwen wie Donner. Sie war gekünstelt sanft, fast ein Schnurren.
„Gentlemen, erlaubt ein offenes Wort. Erst attackiert Ihr mein Schiff. Dann verfolgt Ihr mich und meine Männer wie die Büttel den säumigen Zahler. Und nun verderbt Ihr mir einen Moment der Muse. Dieser Zustand ist unhaltbar.“ Dwight Blackspell trat vor und warf seinen Mantel nach hinten. „ Ihr seid James Hook?“ „Captain James Hook. Euer Diener.“ Tatsächlich erhob sich der Löwe ein wenig aus seinem Stuhl und verneigte sich aus der Hüfte heraus. „James Hook, mein Gefangener. Ihr seid wegen Piraterie festgenommen!“ Hook hob eine Augenbraue. „Ich fürchte, das würde sich weder für Euch noch für mich lohnen. Ich bin unabkömmlich.“ Er griff mit der Linken nach einem kostbaren Becher und nippte vornehm daran. „Tötet ihn.“
In einem einzigen Aufschrei rissen die Piraten ihre Waffen aus den Gürteln und stürmten auf den Kojoten zu. Dabei hatten sie vollkommen die Krähen vergessen, die sich innerhalb eines Herzschlages um ihren Kapitän scharten und geschlossen über die Freibeuter herfielen. Dwight riss seinen gefürchteten Rapier aus dem Waffengurt und kreuzte die Klingen mit dem Dalmatiner, der recht gut, aber allzu schulmeisterlich mit einem schartigen Florett focht. Die Piraten kämpften alle erfahren und fast tollkühn, aber gegen die Übermacht der todbringenden Krähen verrauchte ihr Mut rasch. Erst ergriffen die Wiesel die Flucht, dann wurde der Schakal von Frauke an der Flanke erwischt und wich zurück. Dwight schmetterte in einer Riposte das Florett des Dalmatiners zu Boden und setzte nach, nur ein gewagter Sprung zur Seite rettete seinen Gegner. Der versuchte gar nicht erst den Kampf fortzusetzen sondern gab Fersengeld, mit ihm der Rest der Gruppe. „Starkey, du Bastard, was denkst du, was du da tust? Komm zurück!“, brüllte der Piratenkapitän, als er seine Mannschaft verschwinden sah. „Wir sind aus der Übung! Wir holen Verstärkung und kommen dir zu Hilfe!“ Und damit fiel die Tür krachend zurück in die Angeln, die Krähen waren mit Hook allein.
Diejenigen von ihnen, die den Löwen unterschätzt hatten, konnten ihren Fehler nicht bereuen. Vier Piratenjäger, darunter auch ein stämmiger Rotweiler, lagen tot in ihrem Blut, einem weiteren fehlte gar der Kopf. James Hook blickte knurrend in die Runde und drehte sich langsam im Kreis. Seine schreckliche Prothese schimmerte rot von Blut, war aber nutzlos gegen die rund zwanzig Pistolen, die sich auf ihren Träger richteten.
Dwight wandte sich ab und steckte den Rapier weg. „Fesselt ihn, und schafft ihn aufs Schiff. Dann begrabt unsere Toten.“ Er war schon am gehen, als Hook ungläubig in die Runde blickte. „Ihr…ihr schafft mich einfach so wie einen Strauchdieb weg?“ „So sieht aus, Pirat.“ Frauke grinste böse.
Entgeistert sah Hook kurz zur Otterdame, und folgte dann mit den Augen Dwights Rücken. „Das könnt ihr nicht machen! Form wahren! Sir, ich fordere Euch! Habt ihr gehört?“ Einige Krähen hatten sich ihm bereits mit Stricken genähert, doch achtlos stieß er sie weg wie Puppen, die schnappenden Pistolenhähne ignorierend. „D…dreht euch um und kämpft mit mir, wenn ihr mich schon fangen wollt!“ Da ihn der Kojote ignorierte, stampfte er wütend mit dem Fuß auf, „Schlechter Stil! Habt ihr gehört, Dwight Blackspell!? Hölle und Fluch, kämpft mit mir, oder ich schwöre beim Satan, ihr werdet James Hook nicht wieder los! Und selbst die Kinder der Kinder Eurer Kinder werden noch von mir hören, und notfalls jeder Eures Blutes! Kommt zurück!“ Der Kojote war am oberen Treppenabsatz stehen geblieben. Schwungvoll drehte er sich um. „Was wollt ihr?“ Hook lächelte düster. „Nur Euch.“ „Wenn ihr darauf besteht…“ Dwight sprang auf das breite Geländer und rutschte wieder herunter, entging dem Geländerpfosten durch einen eleganten Sprung und landete einige Schritte vor dem finsterem Piraten. Die Krähen wichen zurück und bildeten einen weiten Kreis. Captain Hook löste mit einem Griff seinen weiten Umhang und ließ ihn achtlos auf den schmutzigen Boden fallen. Mit einem schneidenden Laut zog er seine schwere Klinge aus der roten Schärpe, fast noch ein Schwert. Dwight musterte seinen Gegner kritisch. „Wir sind etwas aus der Mode, nicht wahr, Hook?“ Nur für einen Augenblick war James irritiert und riskierte einen Blick an sich hinunter. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt. „Das kommt ganz auf die Zeit an, Grünschnabel.“ Seine vergissmeinnichtblauen Augen strahlten mit dem kalten Glanz der Diamant-Hutnadel um die Wette. Deadlock der Ziegenbock, der uneingeladen mitgekommen war, hatte sich abseits auf ein Fass gesetzt und stimmte die Laute. Dann begann er mit sicherem Griff und meckernder Stimme ein recht wüstes Kneipenlied zu singen.
When I come back from a mighty quest
I have no need for sleep or rest
I head to a tavern for a drink
And get so drunk I cannot think
A wench by my side and a jug of mead…
Die Klingen der Fechter berührten sich leicht, so sanft wie zu einem Kuss. Dann griff Dwight von unten her an, führte eine rasche Attacke, die Hook mit einem schweren Schwinger seiner Klinge abwehrte, und wich vor einem raschen Hakenhieb zurück. Beide umkreisten einander lauernd. Der Pirat rümpfte die Nase. „Ich hätte passendere Musik gewählt, einen Tarantella vielleicht.“ Dwight stieß kurz mit dem Rapier vor, schnell wie eine Tarantel. „Ihr solltet die Musik genießen, sie wird Euer Requiem.“ Hook lächelte düster. „Zu sterben wäre auch nur ein neues Abenteuer.“ Dann griff er an.
James Hook war schlank, fast zu schlank für einen Löwen, aber immer noch um einiges größer und stärker als der Kojote. Der wusste, ein einziger Treffer mit der schrecklichen Sichelklaue oder dem massivem Breitschwert wäre schon sein Verderben. Aber der Vorteil des Spanischen Kreises war es gerade, keine Angriffsfläche zu bieten.
Der Löwe deckte zu Anfang Blackspell mit schnellen, präzisen Attacken ein. Schon bald musste er jedoch seinen großen Haken alle paar Sekunden für seine Deckung nutzen und Blackspell damit auf Distanz halten. Für einen wirklichen Fechtkampf war seine Waffe altertümlich und schwer im Gegensatz zu Blackspells fast zierlichem Rapier.
Blackspell hielt weiter mühelos Abstand, wenn er wollte, duckte sich ansonsten einfach unter einem wuchtigen Hieb hindurch und kam mit jeweils einem kleinen Schritt dem Piratenkapitän empfindlich nahe. Hook wich zurück und brachte mit einem Kreuzhieb seiner beiden Waffen Raum zwischen sich und Dwight.
Mit eiskaltem Auge umkreiste Blackspell den lauernden Löwen. Dann rannte er förmlich die wenigen Meter auf Hook in Schlangenlinien zu und griff von der Flanke aus an, hieb und stach mit der Geschwindigkeit einer Kobra, durchbrach mit seiner wirbelnden Klinge mehr als einmal die schwerfällige Deckung und trieb den großen Löwen zurück bis zur groben Steinwand. Der prächtige Federhut lag schon längst im Staub. Hook brüllte auf, seine gefürchtete Prothese schoss vor und hätte Dwight in zwei Hälften gehauen, wäre er nicht zurückgesprungen, er rollte sich geschmeidig ab und war schon wieder in Position. James Hook schritt langsam auf den Kojoten zu, das Schwert mit dem mächtigen Griffkorb senkrecht, um sein Handgelenk zu schonen. Fast schon zögernd setzte er zu einem hohen Hieb nach vorne an, wurde jedoch von Dwights Kontern gestoppt und musste vor einer neuen Attacke zurückweichen. Schwer atmend musste sich Hook eine neue Taktik zu Recht legen. Dass in letzter Zeit alle Gegner entweder klein und schnell wie Hornissen waren, zehrte an seinen Nerven. Dwight ließ ihm ehrenhalber einige Sekunden Verschnaufpause, dann setzte er nach. Einige Male trafen sich klirrend die Klingen, dann sah Hook seine Chance gekommen, und in einer eleganten Drehung wollte er den Kojoten mit Haken und Schwert von unten und oben gleichzeitig zerschmettern. Doch Dwight sah die Bewegung voraus, drehte sich einfach einmal um die eigene Achse – und stach dem Löwen in die ungeschützte Flanke. Schon musste er vor dem Breitschwert wieder zurückweichen, doch aus der tiefen Wunde sickerte Blut.
Es war seltsam bräunlich und dickflüssig. Hook gab einen erstickten Laut von sich und knickte ein. Wirr hing ihm seine Mähne um die Augen. Doch verging schnell dieser Moment der Schwäche, und mit einem kehligen Knurren richtete er sich an seiner Klinge wieder auf. Ein rotes Leuchten war in die blauen Augen getreten. Dwight Blackspell, der wieder fair gewartet hatte, griff mit schnellen Attacken an, die Hook diesmal jedoch alle blockte, aber dafür an Boden verlor. Dann setzte er mit der Klaue nach und trieb den Kojoten wieder ein paar Schritte zurück. Fast überrascht ließ Dwight von seinem Gegner ab. „Nicht schlecht, Kapitän.“ Der Löwe antwortete nicht, sondern warf mit einem Kopfrucken seine Mähne nach hinten. Gleich wünschte er, das nicht getan zu haben. Ihm wurde langsam schwindelig.
Der Kojote übernahm wie fast immer bei diesem Kampf die Offensive. Mit einer Seitwärtsbewegung täuschte er den Piraten, kam so unbeschadet durch den Todeskreis des Hakens und attackierte Hook abwechselnd von Links und von Rechts, seine Beweglichkeit voll ausnutzend. Sein Gegner blockte jeden Stoß bis auf den Letzen, er hatte sich selbst ausgehebelt. Blut lief am Toledostahl des Rapiers entlang. Für eine Sekunde kam Captain James Hook der Gedanke, dass er verlieren könnte. Aber den schob er ärgerlich beiseite. Er war der einzige Mann, den Flint je fürchtete! Welche Schule hatte er besucht? Was war er ihr schuldig bis zum Tode? Form wahren! Mit einem Wutschrei holte er zur Seite aus und sprang Blackspell förmlich an: „Floreat Etona!“ Den Kojoten nach den Regeln zu besiegen war unmöglich. Daher versuchte es Hook nun mit simpler Gewalt. Mit wilden Hieben seiner schweren Waffe versuchte er, die starke Deckung des Piratenjägers einfach wegzuschmettern, um sofort mit der Stahlsichel nachzusetzen. Laut klirrte Metal auf Metal, der Toledostahl musste mehr denn je seine Stabilität beweisen. Mit blutunterlaufenen Augen trieb der Piratenkapitän Dwight zurück; der versuchte durch schnelle Drehungen unter dem blitzenden Stuhl durchzutauchen.
Vergeblich, in Rage schlug Hook mit der Klaue Blackspells Klinge zur Seite und schmetterte sein Schwert herunter.
Haarscharf warf sich der schwarze Kojote zur Seite, und die massive Klinge durchschlug einen schweren Stuhl. Der Löwe schüttelte ärgerlich die geborstenen Reste von seiner Waffe, da griff der Piratenjäger wieder an, kalt und rücksichtslos. Denn jetzt war er wütend. Zum Verzweifeln schnell drehte er sich um den Löwen, der schwerfälliger wurde, je länger der Kampf dauerte. Einige letzte Attacken und Blocks: Dann führte James Hook benommen einen geraden, eleganten Stoß nach vorne aus. Wie in einer Fechtschule. Blackspell konterte mit einer Riposte und hebelte dem Löwen das Schwert aus den Tatzen.
Als letztes Mittel schoss der Haken nach vorn, der Kojote tauchte weg, und Hook riss der eigene Schwung mit, er stolperte über seine eigenen Schnallenschuhe und musste sich mit der großen Sichelklinge am Boden abstützen. Zwei Klingen legten sich an seinen Hals. „James Hook, mein Gefangener. Ihr wolltet es so.“ Der geschlagene Löwe atmete schwer. „Wohlan denn“, knirschte er mit den Zähnen, dann gab er sich einen Ruck und richtete sich auf. Dwights Auge war wie Eis. „Eine falsche Bewegung, und ihr seid Geschichte.“ James Hook lachte bitter. „Darum braucht ausgerechnet Ihr euch nicht bemühen.“ Er rang sich ein Grinsen ab und suchte nach seinem Hut. Frauke war so fair ihm diesen zuzuwerfen. Der Pirat danke mit einem höflichen Kopfnicken. „Ich könnte euch jetzt töten.“ Blackspell warf das ohne jede hörbare Emotion in den Raum. Hook hielt seinen schwarzen Hut in der linken und ordnete mit dem Haken die Federn neu. „Aber das werdet Ihr nicht tun.“ „Und warum nicht?“ „Zum einen, weil ihr trotz allem ein fairer Mann seid.“ Er machte eine Kunstpause und setzte umständlich den Hut auf seine lockige Mähne. „Zum anderen?“ Hook grinste breit und salutierte mit der Prothese. „ Na, was wäre das denn für eine traurige Welt ohne einen Kapitän Hook?“
Jaquard duSang spliss mit einigen Krähen Taue im Zwischendeck. Eine lästige und unangenehme Aufgabe, bei deren Ende man sich mit blutigen Handflächen allein noch glücklich schätzen konnte. Aber gerade deswegen schien es dem jungen Rotfuchs, dass besonders er sehr oft dazu eingeteilt wurde. Indes, er beklagte sich nicht, sondern sah es als Chance zur Abhärtung an. Als jemand die sonnendurchfluteten Treppen des Niedergangs zum Zwischendeck hinunter stapfte, sah er auf. Es war Cutter Pyle, der sardonische Schiffskoch. Ein Fuchs wie aus der Fabel, und dazu beängstigend geschickt mit dem Messer. Im Moment trug er jedoch eine fast schon saubere Schürze und ein blitzendes Messingtablett in den weißen Pfoten. Darauf dampften in Näpfen Paella, Tortillas und ein Steak in grüner Soße. Cutter Pyle hatte in Tortuga die Vorräte aufgestockt. Sogar eine Karaffe aus grünem Glas stand neben einem Zinnbecher. „Für wen ist das denn?“ Cutter grinste mit blitzenden Zähnen. „Das, mein neugieriger Artgenosse, ist das Essen für unseren erlauchten Gast ein Deck tiefer.“ „Was denn, für Hook?“ „Ganz genau, du Schlaufuchs.“ „Na hör mal! So was Gutes bekommen wir ja kaum!“ „ Du bist auch nicht so einen großen Haufen Geld wert.“ Fragend blickte Jaquard zu Pyle hoch. Der ließ sich zu einer Erklärung herab. „Unser Kapitän hat noch mal in seinem Archiv gestöbert. Ein paar uralte Steckbriefe waren dabei, am Anfang der ältesten Jahrbücher. Unsere reizende Hakenhand da unten hat in der Spanish Main ganz schön abgeräumt, zurzeit vom alten Morgan.“ Der junge Rotfuchs schnaubte unwillig. „Verarsch ich nicht. So alt kann keiner werden.“ „Aber das kann uns doch egal sein, oder? Der Kerl da unten schwört Stein und Bein, dass er es sei.
Und ist damit stattliche zwanzigtausend Piaster wert. Soviel hat die spanische Krone damals für ihn ausgesetzt. Und diese Belohnung wurde nie zurückgenommen.“
Jaquard pfiff beeindruckt durch die scharfen Zähne. Zögernd fragte er: „Du, Cutter? Kann ich ihm das Essen bringen?“ Der Koch musste lachen. „Neugierig, was? Wild bin ich nicht darauf, den Stewart zu spielen, hab ja noch was anderes zu tun…na, was soll’s. Aber das bleibt unter uns, ja?“ „Aye Sir!“, riefen die Krähen lachend im Chor. Der Rotfuchs knirschte mit den Zähnen. Er war mal wieder der einzige, der die gespielte Geheimniskrämerei nicht durchschaut hatte. Er schnappte sich das Tablett und balancierte es geschickt auf einer Hand bis zum Kiel.
Hier standen, im tiefsten Deck der ohnehin kleinen Alexandria eine lange Reihe grober Eisenkäfige. Dunkelheit, faulige Luft und ewige Feuchtigkeit machten diesen Ort nicht sehr gemütlich. Im ersten Käfig gleich neben der schmalen Treppe hockte im Halbschatten James Hook, „Blackspells Gefangener“. Der Mantel war etwas verdreckt, die Lockenmähne stumpf. Ansonsten wirkte der Pirat aber erstaunlich unbekümmert für einen Mann, der seiner Hinrichtung entgegensah. Seine einzige Sorge schien zu sein, dass sein kostbarer Federhut nicht in eine Pfütze am Boden fiel. Beim Klang der Messingschüsseln sah er auf. „Ah, Mittagessen. Was gibt es?“ „Ne Menge“, war Jaquards knappe Antwort. Er schob das Tablett durch einen Spalt am Käfigboden, den Napf und die Flasche reichte er durch die Stäbe. Dabei musterte er den seltsamen Löwen. „Wieso habt Ihr so altes Zeug an?“ „Hm?“ Hook sah an sich herunter. Dann lächelte er. „Ach so, das…“ Aus dem Schatten heraus leuchteten die hellblauen Katzenaugen und bemerkten Jaquards zuckende schwarze Nase. „Hast du Hunger? Iss ruhig, ich habe keinen Appetit.“ Der Fuchs zögerte. „Was wollt Ihr dafür?“ „Ein paar Minuten Gesellschaft, mehr nicht.“
Schließlich saß Jaquard neben den Gitterstäben und kaute an dem Stück Fleisch. Hook hatte sich etwas bequemer an den Käfig gelehnt. Den Haken hatte man ihm abgenommen, daher beschäftigte er sich damit, einzelne Federn von seinem Hut zu zupfen. „Also, deine Frage. Ich trage nicht „altes Zeug“. Für mich sind das neue Sachen. Für dich wiederum mögen sie altmodisch aussehen. Aber sag mal…“, Hook warf dem Fuchs einen kurzen Seitenblick zu, „welcher König regiert England?“ Jaquard überlegte kurz. „ König William.“ „Wenn ich jetzt sage: Als ich England verließ, und auch während meiner ganzen Laufbahn, herrschte Charles II. Wie reagierst du?“ Der Fuchs wich etwas von dem Käfig zurück. „Ihr seid verrückt. Der ist doch fast hundert Jahre tot.“ Hook lachte. „Aye, genau das denkst du dann. Aber ich lüge nicht, wozu auch? Die Wahrheit ist schon amüsant genug. Da fällt mir ein…was ist mit meinem Schiff?“ „Die Jolly Roger? Lag schon nicht mehr im Hafen, als Blackspell mit Euch zurückkehrte.“ Der Löwe knurrte. „Mit meinem Quartiermeister werde ich ein Wörtchen oder zwei zu reden haben…sei’s drum.“
Hook drehte eine Federquaste zwischen den Fingern. „Weißt du Jaquard, genauso verrückt mag es klingen, wenn man den Mörder der eigenen Familie als Vater sieht. Oder wenn man als wahrer Pirat in die Lehre dieses Blackspells geht.“ Der Fuchs sprang auf wie von der Tarantel gestochen. „Woher kennt Ihr meinen Namen?“
James Hook machte eine beruhigende Geste. Er wartete, bis sich Jaquard wieder auf Augenhöhe befand, dann sprach er weiter, mit ruhiger, fast sonorer Stimme.
„ Du magst zwar fast wie ein Mann aussehen, aber ein Stück weit Kind bist du noch. Und woher ich komme, ist mir, und allen die dort leben, die Möglichkeit gegeben, in die Herzen der Kinder zu blicken. Ich persönlich mache das sehr selten, es ist eine Gabe und eine Bürde gleichzeitig.“ „Das ist Zauberei!“ „Nein, es ist Magie, das ist nicht das gleiche.“ „Aber woher kommt ihr?!“ Der Fuchs war, ohne es zu wollen, fast bis an die Gitterstäbe gerutscht.
Hook schloss die Augen und zitierte mit betonten Silben einen kurzen Vers: “You know that place between sleep and awake? That place where you still remember dreaming?”
Jaquard starrte den Piraten verständnislos an. “Nimmerland. Never-Neverland. La Terre imaginère. Nenne es, wie du willst. Die Fantasie in den Köpfen der Menschen, der Lufthauch der Träume. Die Grenze zwischen Wunsch und Realität.“ „Ihr…kommt aus einem Traum?“ Die Augenbrauen des Fuchses waren irgendwo bei seinem Haaransatz. „Einfach ausgedrückt, ja. Und dorthin muss ich bald wieder zurück. Ich habe mir schon zu viel Freiheit genommen, diesen Ort überhaupt zu verlassen.“ Der Löwe sah auf, als Jaquard prustete.
„Und Elfen gibt es da bestimmt auch?“ Hook verzog das Gesicht. „Ich hasse diese Dinger.“ Jaquard stand unvermittelt auf. Erbost sammelte er das Geschirr ein.
„Ihr macht euch über mich lustig! Oder ihr seid krank! Ich werde das dem Kapitän melden!“ Er wollte schon gehen, als ihn eine Pranke an seinem Gürtel packte. „Du bleibst hier! Sehen heißt glauben, nicht wahr? Wenn du jetzt kurz stehen bleibst, wirst du glauben müssen, weil du sehen wirst!“ Beeindruckt von der Intensivität in Hooks Stimme verharrte der Fuchs, als sich die Finger von ihm lösten. Der Löwe steckte seine linke Hand in seinen Kapitänsrock und zog sie wieder heraus. Zur Faust geballt, wandte er sie zu Jaquard. „Du bist dir sicher, dass ich existiere?“ „Ich sehe Euch, und ich könnte Euch auch anfassen. Natürlich. Aber…“ Hook öffnete die Pranke. Ein goldenes Leuchten ging von der Handfläche aus. Fasziniert kam der Fuchs näher und sah feine Körner, wie Sand. Sie waren golden, oder diamanten, oder irgendetwas anderes.
„Sehen heißt glauben.“ Hook blies dem Fuchs den glänzenden Staub ins Gesicht. Ein warmes, leichtes Gefühl breitete sich in dem Rotpelz aus, ihm wurde angenehm warm, schmerzende Handflächen, Hunger, ja sogar das Empfinden von Körperlichkeit fiel von ihm ab. Ihm war, als könnte er fliegen. Dann holte ihn die Realität wieder ein, und schwer wie ein Stein sank er zurück in die harte Existenz.
Verblüfft starrte er den Löwen an. „Feenstaub“, meinte der nur knapp. „Ich sehe, ich habe nun deine Aufmerksamkeit…Ein Junge wird so in dreihundert Jahren auf jene Insel kommen, und er wird sie als Erwachsener in einem Buch festhalten, so wie er sie sah. Ich werde Teil dieses Buches sein.“ „Das erst geschrieben wird?“ Der Löwe wurde nachdenklich, und sprach fast zu sich selbst. „Genau. Aber existieren wir dort, weil er das Buch schreiben wird? Oder schreibt er das Buch, weil wir alle schon da sind? Das was war, wird erst sein, und das Jetzt ist schon Vergangenheit…die Zeit ist eine seltsame Sache…“
„Das…ist mir alles etwas zu hoch.“
Hook lachte, und dieses Mal aus vollem Halse. „Tut mir Leid, Junge! Da fasle ich vor mich hin, und komme ganz vom Kurs ab. Was ich sagen will, ist folgendes: Du warst auch auf dieser Insel, Fuchs.“ „Ich?“
„Natürlich, da warst du noch ein kleines Kind. Es ist normal, das zu vergessen. Aber du bist im Vergleich selten dort gewesen, deine Kindheit war nie besonders Fantasie anregend.“ Jaquard senkte den Blick.
Hook hob den Zeigefinger. „Aber das macht nichts, wenn du nur deine Träume in dieser echten Welt verfolgst. Du kannst scheitern oder nur teilweise Erfolg haben, das ist egal. Aber wegwerfen darfst du sie auf keinen Fall, verstehst du?
„Wieso…wieso sagt Ihr mir das?“ Jaquard hatte feuchte Augen. Der Piratenkapitän stieß die Luft zwischen den Zähnen aus und überlegte kurz. „Seitdem ich die Welten gewechselt habe, hat sich viel verändert. Ich kämpfte mit Morgan an einer Seite. Wir haben gemeinsam mit den besten Kapitänen den Kodex verfasst. Und nun? Sieh sie dir an! Black, dieser Popanz Alvarez, und vor allem Singh. Das sind keine Piraten mehr. Wir waren die Brüder der Küste. Aber das, das sind nur noch Schlächter, jeder für sich. Und daher brauchen wir dich.“ „Mich?“
„Ja. Dich. Du bist tapfer, fair, du wirst einmal großer Kämpfer sein. Und dennoch ein guter Mann bleiben. Ich vertraue dir noch etwas an.“ James Hook kam näher an das Fuchsohr und raunte: „Blackspell hat verloren. Er und Johnson, und wie sie alle heißen werden. Sie können unsere Knochen zermalmen und unsere Asche verstreuen, aber uns wird man nicht vergessen! Der Jolly Roger wird noch in tausend Jahren in den Köpfen der Menschen über weißen Stränden und prächtigen Schiffen wehen! Aber dazu brauchen wir jeden guten Mann, der hilft, uns zu einer Legende zu machen. Unsere Verbrechen werden verblassen, aber unser Wesen, unser Traum von Freiheit, der wird überdauern. Vergiss du deinen Traum nicht, Jaquard! Woran du glaubst!“
Erschöpft lehnte sich der Löwe an die Gitterstäbe. „Geh jetzt. Mir geht es nicht besonders gut…aber vergiss nicht, was ich dir gesagt habe!“
„Wo ist er hin?!?!“ Tobend stürzte Miguel aus dem Bauch des Schiffes ins Freie. Blackspell sprang die Treppen zum Achterdeck herunter. „Was ist los?“ Miguel schnappte nach Luft: „Señor Capitan, er ist weg!“ „Wer?“ „El Capitan Garfio! Hook! Der Käfig ist leer!“
Das gesamte Schiff war bereits durchsucht worden, jeder noch so kleine Winkel. Im Kielraum hatte sich ein kleiner Zusammenlauf von Krähen gebildet.
Blackspell brauchte gar nicht erst die Käfigtür aufzuschließen. Der Vogel war ausgeflogen.
„Das war der Frosch!“, rief eine Stimme. Cutter suchte den vorlauten Matrosen und starrte ihn nieder. „Weil ich ihn das Essen runter bringen ließ? Red’ keinen Quatsch, er hatte die Schlüssel nicht, und so kräftig ist er nun auch wieder nicht die Stäbe aufzubiegen, oder?“
Miguel kratzte sich am Hinterkopf. „Hol’s der Teufel, wie kam er da heraus?“ Blackspell sah das ganze praktischer. „Draußen ist er ja wohl. Aber wo ist er hin? Beiboote fehlen auch keine.“
„Dwight!“ Frauke van Geest kam die Treppe herunter und stoppte, als sie das Gewimmel bemerkte. „Was gibt es denn noch?“ „Der Haken ist weg! Das Schwert auch! Das Zeug hatte ich doch gestern in der Waffenkammer eingeschlossen. Und heute Morgen waren sie weg!“ Stille trat ein.
„Jetzt wird’s verrückt“, sagte jemand nach einer Weile. Der Kojote musterte die Runde. „Sicher, dass das Schiff gründlich abgesucht wurde?“ Alle Köpfe nickten.
„Das war ein Gespenst.“ Niemand konnte im Nachhinein sagen, wer als erster diese Worte sprach. Schon brach ein Tumult aus. Blackspell sorgte rasch für Ruhe. „Kein Wort davon zu niemanden, oder wir können uns nirgends mehr blicken lassen, savy? Sagt es jedem Kameraden: Das hat alles nicht stattgefunden. Wir haben jetzt wichtigeres zu tun, was ist schon ein Gespenst im Vergleich zum Teufel persönlich?“
Damit meine er Singh, das war jedem klar. Zögernd verlief sich die Menge. Einzig Deadlock, der spät dazugekommen war und etwas verwirrt die Worte des Kojoten gehört hatte, sah sich noch im Raum um. Im quadratischen Lichtkegel des Aufgangs blitzte es. Goldene Körnchen stiegen vor dem verdutzen Ziegenbock hinauf ins Licht, und verschwanden in der Helligkeit.
Ende
Category Story / Fantasy
Species Unspecified / Any
Size 119 x 120px
File Size 93 kB
Ich persönlich finde das diese eine deiner besten Arbeiten ist, vor allem als Hook erklärt das die Piraten auf ewig in den Köpfen umher segeln werden ^^ Und ich denke du hast ihn gut getroffen, auch wenn ich nicht weiß ob er sich sogeben würde, ich kenne das Buch ja (immer noch) nicht ^^
Und Jaquard trägt schwarz... wie stilvoll von ihm, in Gedenken an Michel... ^^
Und Jaquard trägt schwarz... wie stilvoll von ihm, in Gedenken an Michel... ^^
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