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Five Dragons: DLvP: Kapitel 17: Eine lange Liste
Die Sonne warf ihre ersten Strahlen über den Horizont und verkündete den Beginn des neuen Tages. Der lange Schatten von fünf Türmen zog sich über die Häuser der Stadt Sorlacom. Von den Spitzen der Kathedrale hallte der helle Klang silberner Glocken herab.
Im Inneren kniete eine Person in einer grauen Robe vor fünf steinernen Sockeln. Die Augen zum Gebet geschlossen murmelte er leise vor sich hin. Drei Symbole schwebten mit ihrem hellen Leuchten vor den steinernen Abbildern von Arkas, Sorathis, sowie den zerfallenen Überresten der Statue von Kyleth. Einzig die Gefährten von Galvatros und Wyverex schienen sich nicht zeigen zu wollen, was die Priester zunehmend verunsicherte. Zumal sie ebenfalls von den seltsamen Vorkommnissen in Kaladros und Sullfar gehört hatten.
Ein weiterer Mann kam dazu. „Meister Atlas!“, hallte dessen Stimme durch den offenen Raum. Der kniende Mann hob seinen Kopf und warf seinem Kollegen einen müden Blick zu. „Was gibt es, Bruder?“, fragte er ruhig. „Die Generäle des Nordreichs sind frei! Das Verlies liegt in Trümmern und die Grabkammern wurden geöffnet!“ Die panische Angst in den Worten des Priesters war unverkennbar. „Meister, könnte dies der dunkle Schatten sein, von dem die Prophezeiung spricht?“ Er blickte Atlas mit einem sehr besorgten Gesichtsausdruck an. „Wie soll sich diese nun erfüllen? Die Gefährten sind nicht vollzählig.“
Atlas erhob sich, schritt auf seinen Bruder zu und legte ihm seine Hand auf die Schulter. „Verliere nicht den Glauben, mein Freund. Die Wächter werden uns zur Seite stehen.“ Er drehte sich zu den fünf Sockeln um. „Wenn wir den Glauben daran verlieren, so ist auch jegliche Hoffnung für Daracoss verloren.“
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Die Sonne ging rasch auf und legte ihren weckenden Schein über die vereinzelt schwebenden Wolken hinweg. Das helle Licht fiel durch breite Glasscheiben und flutete den Raum mit einer angenehmen Wärme.
Eine kleine Statue mit einem Pfeil in der Brust stand auf dem Fensterbrett. Panisch blickte das steinerne Gesicht ins Zimmer hinein und warf einen länglichen Schatten, der bis zu dem mittigen Symbol auf dem Teppich reichte.
Roland regte sich langsam. Verschlafen auf dem Bauch liegend, döste er weiter vor sich hin. Er vernahm ein leises Gurren, das sanfte Schwingungen auf seinen Rücken übertrug, sowie die angenehme Wärme eines anderen Körpers, der sich neben ihm befand. Seine Kyndle lag dicht an seine Seite gekuschelt zu seiner Rechten. Den Kopf auf seinen Rücken gelegt, hob und senkte er sich mit seinen langsamen Atembewegungen. Mit einem leisen Schnurren horchte sie seinem Herzschlag und schmiegte ihre Schuppen sanft an seine Haut.
Müde öffnete er seine Augen und blickte in das erstarrte Gesicht des Wasserspeiers. Nachdem er ausgiebig gegähnt hatte, drehte er sich zur Seite und schaute sogleich in zwei wunderschöne, erwachende Drachenaugen. Ein friedliches Gurren begleitete den hellen Funken aus ihren Saphiren und der dünne Türkishauch darin schimmerte deutlich daraus hervor. Auf ihren begrüssenden Zungenstreich über seine Lippen folgte ein sanftes „Chirp“.
„Morgen“, entgegnete Roland darauf mit einem warmen Lächeln und strich ihr mit der Hand über die Wange. Ein leises Schnurren drang aus ihrem Körper, während sie sich erneut an ihn anschmiegte. Ihre Wärme spürend drückte er sie eng an sich.
Nach dem morgendlichen Kuscheln kroch Roland schliesslich unter der Decke hervor und setzte sich erneut gähnend auf die Bettkante. Ein genüssliches Ausstrecken der Arme später fiel sein Blick zu der kleinen Figur auf dem Fensterbrett. Nachdenklich schaute er in das steinerne Gesicht. „Was es wohl mit …?“ Doch unterbrach eine plötzliche Berührung seinen Gedankengang.
Kyndle stupste ihn mit der Nase leicht in die Schulter und bekam daraufhin die erhoffe Aufmerksamkeit. Mit einem Lächeln im Gesicht wandte er sich ihr zu. Den Blick kaum in ihre funkelnden Augen geworfen, spürte er sogleich ihre Lippen auf seinen. Die Drachin lehnte sich stark gegen ihn, bis er mit dem Rücken wieder auf der Matratze lag. Ihr intensives Schnurren im Kopf zu fühlen warf seine letzten Gedanken vollkommen über den Haufen. Mit einer Hand strich er ihr über die Wange, während die liebevolle Zungenberührung weiter anhielt.
Das Weibchen legte sich über ihn und brach den Kuss ab. Roland hielt die Drachin über sich fest und blickte in die funkelnden Saphire seiner Partnerin. Der Türkishauch darin schimmerte nach wie vor hell daraus hervor. Ein verliebtes „Chirp“ entwich ihrem Hals, bevor sie ihren Kopf schnurrend wieder sinken liess. Lüstern schaute sie ihm in die Augen, während ihre Pranke sanft über seine Brust fuhr. Er wusste genau, was dieser Blick zu bedeuten hatte.
Ein lautes Klopfen an der Tür erwies sich aber als effektiver Stimmungskiller, was Kyndle mit einem herablassenden Schnauben bestätigte. Das Weibchen stieg widerwillig von ihm runter und liess ihn aufstehen. Roland hielt mit geschlossenen Augen einen kurzen Moment die Stirn gesenkt, bevor er aufstand. Er drehte sich zu ihr um und griff ihr unter ihr Kinn. Ihren Kopf sanft in sein Blickfeld gezogen, sah er direkt in ihre Augen. „Fortsetzung folgt“, flüsterte er ihr zu und drückte ihr noch einen Kuss auf die Nase. Kyndle schloss die Augen und gab ein leises „Churr“ von sich.
Die Tür geöffnet blickte er in das Gesicht von Aaros, welcher ihn sogleich musterte und einen schnellen Blick in den Raum warf. Roland stand nur in Unterwäsche im Raum und Kyndle lag seitlich auf dem Bett und bedeckte sich elegant mit einem ihrer Flügel. „Dafür ist später noch Zeit“, begann er mit einem kaum bemerkbaren Lächeln auf den Lippen. „Zieh dich an, du hast einen langen Tag vor dir.“ Mit diesen Worten liess er Roland an der offenen Tür stehen und ging wieder.
Wortlos drehte er sich zu Kyndle um und deutete mit dem Daumen Aaros hinterher. Mit einem fragenden Gesichtsausdruck holte er Luft, doch es kamen keine Worte heraus, nur ein langes Seufzen. Kyndle hielt ihren Kopf schräg und schnaubte Roland mit geschlossenen Augen an. Nach einer langen Minute des Schweigens begann er sich schliesslich anzuziehen.
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Ein grosser glatzköpfiger Mann stand vor einem grossen Spiegel. Die Arme verschränkt warf er seinen zornig wirkenden Blick in die schwimmende Fläche, auf der das Anwesen von Ironwing zu sehen war. „Hmpf! Wir wissen, wo er ist, und das schon seit einer halben Ewigkeit!“, meckerte er laut vor sich hin. „Warum holen wir ihn uns nicht jetzt? Bei dem Aufwand der letzten Jahre könnte es doch nicht dringlicher sein? Weshalb diese elende Warterei?!“
Ein finsteres, violettes Leuchten überschattete für einen schnellen Moment seine Augen und er sank verkrampft auf die Knie. Ein schmerzhaftes Stöhnen entwich seinem Mund, gefolgt von einem trockenen Husten.
„Dies obliegt nicht deinem Urteil“, drang eine finstere Stimme aus seinem Rücken. Eine Gestalt in einer roten Robe schritt gebeugt an ihm vorbei. Zwei violette Lichter schimmerten aus seiner silbernen Maske hervor. Mit einer Handbewegung liess er den schmerzenden Griff von seinem Diener ab, welcher sich mühsam und schwer atmend wieder aufrichtete.
„So war das nicht gemeint, Lord Kargesh“, entschuldigte er sich untertänig. „Das wird sich zeigen“, entgegnete der finstere Nekromant. Kargesh schritt vor den Spiegel und wischte mit seiner knochigen Hand über das Bild. Die Fläche begann zu verschwimmen und das Abbild von Ironwing verschwand.
„Aber da du dieser elenden Warterei ja so überdrüssig bist, habe ich eine neue Aufgabe für dich, Larzarus.“ Der grosse Mann stellte sich aufrecht hin und warf seinem Herrn einen aufmerksamen Blick zu.
In der Fläche des Spiegels formte sich ein neues Bild, während aus dem Schatten des Thrones ein Knochendiener trat. In seinen Händen hielt er einen kopfgrossen Edelstein, eingebettet in eine sich selbst verschlingende Schlange. In der tiefschwarzen Farbe des Steines war der schwammige Umriss eines leblosen Herzens zu sehen. Larzarus warf einen schnellen Blick zu dem Skelett, anschliessend wieder auf den Spiegel.
Das Bild einer prachtvollen, blühenden Stadt kam zum Vorschein, die in der Luft schwebte. „Haven?“, fragte Larzarus leise. „Ganz recht“, bestätigte Kargesh und drehte sich zu ihm um. Mit einer Hand deutete er auf den schwarzen Stein. „Bring das Gefäss zu Drover nach Haven!“, befahl er seinem Untergebenen und warf ihm ein drohendes Funkeln aus seiner Maske entgegen. „Weitere Anweisungen folgen, sobald du angekommen bist.“
Larzarus stellte sich aufrecht hin und zog die rechte Faust zur linken Schulter hoch. „Ich werde nicht versagen!“, bekundete er laut. Kargesh drehte sich um. „Nein“, keuchte er und Larzarus hustete einmal stark, als der violette Schimmer erneut über seine Augen schnellte, „wirst du nicht.“
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Roland stand mit Kyndle auf dem Trainingsplatz. Den versteinerten Wasserspeier ansehend wartete er auf seine Ausbilder, welche kurz darauf auch erschienen. Ein wortloses Nicken der beiden war die Begrüssung.
„Sagt dir der Name Ansem etwas?“, fragte Aaros direkt. Roland zog unwissend die Augenbrauen zusammen. „Anscheinend nicht“, entgegnete Torben darauf nüchtern. „Nun gut. Und die Gilde der drei Türme?“, bohrte Aaros weiter. „Conrad hat sie mal erwähnt, aber was hat die Magiergilde in Orcus mit mir zu tun?“, warf Roland ein. „Kurz gesagt“, begann Aaros erneut, „Ansem ist, ich meine war, der Erzmagier dieser Gilde, und er ist derjenige, der dir dein Medium herstellen kann und hoffentlich auch wird.“
Roland warf Kyndle einen fragenden Blick zu. Diese hielt den Kopf leicht schräg und gab mit geschlossenen Augen ein sanftes Gurren von sich.
„Aber auch dazu später mehr“, fuhr Aaros fort. „Ich hab mir erlaubt, dir alles dafür noch Notwendige auf diese bescheidene Liste zu schreiben“, kündete er an und hielt seinem Schüler das genannte Schriftstück entgegen. Roland griff neugierig danach und hob erstaunt die Augenbrauen.
„Das ist aber eine lange Liste!“, witzelte er sarkastisch, als sein Blick schnell über die sechs beschriebenen Zeilen wich. Kyndle hob ihren Kopf und warf ebenfalls einen neugierigen Blick auf das Papier. Sie stupste ihren Partner leicht in die Seite und gab ein aufgewecktes „Meep“ von sich.
Aaros sah ihn einen kurzen Moment lächelnd an. „Es sollte dir eigentlich keine allzu grossen Schwierigkeiten bereiten, diese Dinge aufzutreiben.“ Er schritt auf ihn zu und hielt ihm einen Zeigefinger vor das Gesicht. „Und, wenn du es schaffst, mit allen Dingen auf dieser Liste vor Sonnenuntergang wieder hier zu sein“, mit einem herausfordernden Blick sah er ihn an, „gibt es noch einen kleinen Bonus.“ „Bonus?“ warf Roland verwundert ein. „Das war Torbens Einfall“, antwortete Aaros und schaute zu seinem Kollegen, welcher bestätigend seinen Daumen nach oben streckte. „Nennen wir es einen kleinen Anreiz.“
„Klingt interessant“, erwiderte Roland darauf und warf einen nachdenklichen Blick auf die lange Liste. Er schaute zu Kyndle und begann zuversichtlich zu lächeln. „Das packen wir schon“, sprach er laut und steckte das beschriebene Papier ein.
Es dauerte nicht lange, da hatte Roland ein Pferd gesattelt, seiner Drachin ihr markiertes Tuch umgebunden, sich einen Rucksack gegriffen, etwas Geld eingesteckt und war bereits mit schnellem Tempo in Richtung Hauptstadt unterwegs. Kyndle schwebte mit eleganten Flügelschlägen über ihm. Mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck ritt er der Stadt entgegen und dachte bereits an eine Person, die ihm möglicherweise beim Auffinden der Dinge helfen könnte.
Nach einer knappen Stunde erreichte er die mächtigen Stadttore. Vor dem hochgezogenen Fallgitter blieb er stehen, um seinem Reittier eine verdiente Verschnaufpause zu gönnen und zog das gefaltete Stück Papier heraus. Kyndle landete unterdessen neben ihm und gab ein begrüssendes „Chirp“ von sich, bevor sie ihren Kopf schnurrend an seiner Schulter rieb. Mit der freien Hand strich er ihr über die Wange, hielt seinen Blick aber stets auf das Schriftstück gerichtet.
Nachdenklich las er die Worte darauf:
-1 Flasche Drachenessenz (flüssig oder Pulver)
-Eine Hand voll Obsidiansplitter
-Ein Edelstein, Art und Grösse egal, je reiner desto besser (Katalysator)
-Gegenstand für die Form des Mediums (Du hast die freie Wahl)
-Eine Flasche Stronischer Branntwein
-!Wichtig! Zwei Karotten und eine grosse Zwiebel
Leicht verwirrt warf er seinen Blick zur Seite in Kyndles Augen. „Wozu denn zwei Karotten und eine Zwiebel?“, dachte er in sich hinein. Die Drachin hielt ihren Kopf leicht schräg und gab ein fragendes „Meep“ von sich, gefolgt von einem unwissenden Kopfschütteln. Den Zettel wieder verstaut, betraten sie die Grossstadt.
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In einer Taverne mit dem Namen Einsame Fackel unterhielten sich zwei Frauen angespannt. Die Dame hinter dem Tresen trug ein rotes Kleid mit einem langen Rock, welcher an einer Seite eingeschnitten war. Ihre Gesprächspartnerin legte ein eher abenteuerliches Erscheinungsbild an den Tag: Die massgefertigte Lederrüstung verbarg meisterhaft ihre nicht ganz zierliche Körperstatur. Und der wuchtige Streithammer auf ihrem Rücken reichte ohnehin vollkommen aus, um einige der anderen Gäste einzuschüchtern.
„Was will er denn in Haven?“, fragte die Frau hinter dem Tresen. „Keine Ahnung, Liz.“ antwortete die Kämpferin darauf. „Ich weiss nur, dass es in Athellion ähnliche Probleme geben soll wie in Sullfar und Kaladros. Gerüchte über wandelnde Tote und so weiter“, fuhr sie fort und schwenkte erklärend eine Hand herum. „Aber weshalb er dahin unterwegs ist, kann ich dir nicht sagen.“
Lizbeth hielt sich nachdenklich die Hand vor den Mund und senkte ihren Blick auf den Tresen. „Soll ich ihm jetzt nachreisen oder was?“, wollte die gut gerüstete Frau wissen. Liz hob ihr Sichtfeld. „Nein, Patricia. Dein Auftrag bleibt bestehen.“
„Gut.“ Ein langsames Nicken begleitete ihre knappe, winkende Geste. „Ich halte dich auf dem Laufenden“, fügte Patricia an, bevor sie aus dem Lokal ging. Liz erwiderte den Gruss nicht, sondern blickte gedankenversunken an die Wand. „Irgendetwas ist da faul“, murmelte sie leise vor sich hin.
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In der Eisernen Jungfrau stand Tamara hinter dem Tresen und hielt sich grüblerisch einen Zettel vor ihr Gesicht. Fragend zog sie eine Augenbraue hoch und warf einen flüchtigen Blick zu ihrem Gast. „Und wenn ich alles auf der Liste vor Sonnenuntergang aufgetrieben habe, gibt es von ihm auch noch einen Bonus“, erklärte dieser. Neben ihm streckte ein orangerotes Drachenweibchen ihren Kopf über den Tresen und nickte mit einem bestätigenden „Churr“.
Tamara konnte sich dabei ihr Lächeln nicht verkneifen. Langsam liess sie das Schriftstück auf den Tresen sinken. Oben angefangen strich ihr Zeigefinger über die sechs kurzen Zeilen. „Das Erste klingt für mich nach einer alchemistischen Zutat“, begann sie. „Möglicherweise weiss dieser Barnabas mehr dazu. Das Zweite scheint für die Schmiedekunst wichtig zu sein. Frag da am besten den Waffenschmied im Schloss oder einen in der Stadt. Edelsteine, Hmm… mal überlegen…“ Nachdenklich hielt sie sich die Hand vor den Mund. „Die Steinchen, die man gewöhnlich auf dem Markt findet, sind bestenfalls von minderer Qualität. Ich würd daher mein Glück ebenfalls beim königlichen Schmied versuchen. Der hat ja schliesslich auch des Königs Schmuck gefertigt, also sollte der auch am besten wissen, wo du solche bekommst.“
Roland sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Und das ist dir alles einfach so eingefallen?“, stichelte er mit einem breiten Grinsen. Kyndle hielt ihren Kopf schräg und warf ihm einen leicht skeptischen Blick zu. Die Wirtin stemmte ihre Hände in die Hüften und konterte mit ihren ernsten Augen. „Als Besitzerin einer Kneipe hört man so einiges“, erläuterte sie mit einem leicht verstohlenen Lächeln. „Und ich kann sehr gut zuhören.“
„Also“, erklärte sie weiter, „bei dem vierten Punkt liegt es, denke ich, an dir. Der Markt dürfte dazu alles Erdenkliche anbieten und eine Flasche Branntwein hätte ich sogar noch hier. Die gibt’s aber nicht umsonst. Karotten und Zwiebeln findest du ebenfalls reichlich auf dem Markt.“
„Ist schon mal ein Anfang. Was willst du für die Flasche haben?“, fragte Roland direkt heraus. „15 Golddrachen“, antwortete sie nüchtern. Rolands Blick weitete sich erstaunt. „15?!“, stiess er laut aus und sah zu der genannten Flasche, die hinter Tamara auf dem Regal stand. „Was ist denn da drin, was diesen Preis rechtfertigt? Hat da etwa der König reingepisst, oder was?“ Er warf Kyndle einen leicht verwirrten Blick zu. Diese schloss einmal gurrend die Augen und sah daraufhin wieder zu Tamara.
Die Wirtin zuckte nur mit den Schultern. „Kauf sie oder kauf sie nicht, wie du willst.“ Roland schüttelte einmal den Kopf. Widerwillig holte er seinen Geldbeutel hervor und warf einen Blick auf dessen Inhalt: 12 Goldmünzen, 8 Silberlinge und 3 Kupferstücke zählte er kurz zusammen. „Das ist aber mehr, als ich bei mir habe“, beichtete er mit einem verzogenen Gesicht. „Und ich denke, ich werde noch was für die anderen Dinge auf der Liste benötigen.“
Tamara verschränkte die Arme und sah Roland mit einem zwielichtigen Lächeln an. „Anderer Vorschlag. Sagen wir: 5 Golddrachen und einen Gefallen.“ Der junge Mann sah die Frau skeptisch an und kurz darauf wich sein Blick zu seiner Drachin, welche ihm zuversichtlich zunickte. Anschliessend wandte er sich wieder der Wirtin zu. „Abgemacht“, bestätigte er laut und reichte seine Hand über den Tresen. Tamara schüttelte mit einem breiten Lächeln seine Hand und nahm die fünf Golddrachen von ihm entgegen. „Und was für ein Gefallen wäre das nun?“, wollte Roland neugierig wissen. Tamara stellte die Flasche vor ihm hin. „Daran werde ich dich erinnern“, antwortete sie mit einem schnellen Zwinkern. „Sieh zu, dass du zuerst deine Liste komplett bekommst.“
Roland starrte einen Moment nachdenklich auf die rote Flasche mit dem Stronischen Branntwein. Mit einem zuversichtlichen Lächeln steckte er im Anschluss seinen ersten Gegenstand in den Rucksack. Den Blick zu seiner Drachin geworfen hielt er die Liste hoch. „Na, wohin als nächstes?“ Kyndle schickte ihm ein helles Funkeln aus ihren saphirblauen Drachenaugen zu, der schimmernde Türkishauch leuchtete darin hervor. Ihr leises Gurren begleitete den Blick ihrer halbgeschlossenen Augen. Lächelnd schaute er wieder die Liste an. Langsam strich sein Zeigefinger über die erste Zeile, als er ein bestätigendes „Meep“ neben sich hörte.
Lächelnd schaute er seine Drachin an. „Also dann zu Barnabas?“, fragte er amüsiert. Ein leises Gurren drang aus ihrem Hals, als sein Blick sie traf. „Wohl eher zu Clara, nicht?“ Kyndle gab mit einem schnellen Nicken ein bejahendes „Churr“ von sich. „Dann keine Zeit verschwenden“, sprach Roland und stand von seinem Hocker auf. Er strich seiner Drachin mit der Hand über die Stirn, was sie mit einem leisen Schnurren und geschlossenem Blick erwiderte. „Auf zur Drachenfarm.“
Roland wandte sich Tamara zu und hob seinen Arm. „Wir sehen uns dann später“, verabschiedete er sich winkend. Die Wirtin hielt ihre Hand ebenfalls hoch. „Vergiss den Gefallen nur nicht“, betonte sie lächelnd. „Und viel Glück mit deiner Liste!“ „Danke!“, rief Roland zurück, bevor er aus dem Lokal trat.
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„So ist es brav“, sprach Clara gelassen und blickte lächelnd auf den kleinen Nestling herunter. Clara kniete in einem kleineren Gehege nahe des Haupthauses zwischen sechs Jungtieren. Die jungen Drachen gehörten zu der Gattung Klingenflügel und rannten verspielt herum. Einer von ihnen lag vor Clara auf dem Rücken und liess sich von ihr den Bauch kraulen. Prüfend betrachtete sie dabei die vernähte Wunde auf seiner Brust und die beiden Riemen, welche seine Flügel fixierten. Geniessend hielt er die Augen geschlossen und schnurrte leise vor sich hin. Ein vergnügtes „Meep“ war ebenfalls zu hören.
Clara zog ihren Stift hervor und notierte sich schnell einige Zeilen auf ihrem Klemmbrett. Lächelnd beobachtete sie das Jungtier, wie es schnell aufgestanden war und eilig zu seinen Artgenossen rannte. Mit einem kurzen Sprung und einem verspielten „Chirp“ landete es auf dem kleinen Drachenhaufen. Clara stand auf und betrachtete mit schräg gehaltenem Kopf und einem breiten Grinsen im Gesicht das vergnügte Treiben der niedlichen Jungdrachen. Anschliessend warf sie einen kontrollierenden Blick auf ihre Liste. „Das wär‘s dann hier“, dachte sie vor sich hin. Sie holte einen metallenen Schlüssel aus ihrer Tasche und schritt langsam zum Tor des Geheges.
Der kleine Drache von vorhin beobachtete sie ungeduldig und rannte in dem Moment los, als sie gerade das Gittertor aufzog. Clara konnte nicht schnell genug reagieren. Kaum hatte sie den kleinen Ausreisser bemerkt, war er auch schon draussen und sprang freudig auf dem Vorplatz der Farm herum.
Clara schloss das Gehege hinter sich und drehte sich hektisch um. „So ein Mist!“, schimpfte sie laut vor sich hin, während ihr Blick leicht überfordert auf dem grossen Platz herumging. Zu ihrem Pech war gerade kein Farmarbeiter in der Nähe, der ihr mit dem kleinen Ausreisser helfen konnte. Die fünf verbliebenen Jungtiere lehnten alle ihre Köpfe an das Gitter und gaben verspielte Laute von sich, während sie den Entflohenen beobachteten. Clara stemmte ihre freie Hand in die Hüfte und warf den Drachen einen leicht verärgerten Blick zu. „Das ist nicht witzig!“, zischte sie schnell, worauf die kleinen Drachen sofort verstummten, sie mit grossen Augen ansahen und neckisch die Zungenspitzen aus dem Maul streckten.
Mit geschlossenen Augen atmete sie einmal tief durch. Den Blick wieder geöffnet erspähte sie einen kurzen Schweif, der schnell hinter einigen Kisten verschwand. Die Kiste im Blick ging sie darauf zu, doch versteckte sich kein Ausreisser dahinter. Etwas verwirrt schritt sie zurück auf den Platz. „Wo ist er denn jetzt…?“ Ihre gedankliche Frage brach ab, als sie den Kleinen davonrennen sah. Er war dabei auf der Zufahrtstrasse unterwegs, welche zur Stadt führte. „Ohh nein!“, klagte sie und eilte dem Jungtier hinterher.
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Die Sonne stand hoch zur Mittagszeit und schien von einem wolkenlosen blauen Himmel herab. Auf der Strasse, welche zu Barnabas Farm führte, waren Roland und sein orangerotes Drachenweibchen unterwegs.
In Gedanken versunken lag sein Blick auf dem kleinen Stück Papier. Nachdenklich warf er seine Aufmerksamkeit in den Himmel zur Sonne hoch. „Wenn wir uns ranhalten, müssten wir es eigentlich rechtzeitig schaffen“, sprach er etwas müde, aber dennoch zuversichtlich. Kyndle schritt leise gurrend neben ihm her und stupste mit ihrer Nase kurz in seine linke Schulter, gefolgt von einem bestätigenden „Churr“. Roland blickte ihr dabei lächelnd in ihre wunderschönen, blauen Augen. Der dünne Türkishauch darin war nicht zu übersehen. Ein kurzweiliges Funkeln darin beendete den angenehmen Sichtkontakt. „Mit deiner Hilfe bestimmt“, fügte er dem hinzu und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne, wo bereits die Gebäude der Farm zu sehen waren.
Roland erkannte die lange Brücke, welche über ein weitläufiges, braunes Gehege führte und in der Hälfte des Überganges bewegte sich etwas eilig auf ihn zu. Roland blieb stehen und starrte konzentriert nach vorne. Die orangerote Drachendame schaute ihn zuerst etwas verdutzt an, richtete ihren Blick dann aber ebenfalls auf die Brücke.
Ein kleiner Drache rannte vergnügt auf sie zu. Die Flügel waren mit zwei Lederriemen auf dem Rücken fixiert, weshalb er wohl eilig zu Fuss unterwegs war. Der Nestling gab ein fröhliches „Meep“ von sich, als er die beiden entdeckte und auf Kyndle zuhielt. Das Weibchen senkte gurrend ihren Kopf, um den Kleinen zu begrüssen, doch er schnellte einfach an ihrem Gesicht vorbei. Zwischen ihren Beinen durchgerannt sprang er sogleich Roland an.
Dieser liess hektisch seine Liste los, um den kleinen Drachen aufzufangen. In der Luft schnappte das Jungtier fröhlich gurrend nach dem Papier. Roland schaffte es zwar ihn festzuhalten, doch warf ihn die Wucht dennoch zu Boden. Unsanft auf dem Hintern gelandet verzog er sein Gesicht und schickte seiner Drachin einen etwas überforderten Blick zu. Kyndle schaute die beiden erst etwas skeptisch an, ging dann aber auf ihren Partner zu. Sie kreiste ihn mit ihrem eleganten Körper ein und legte sich hinter ihm auf den Boden. Sie leckte Roland sanft gurrend über die Wange und blickte anschliessend über seine Schulter auf den kleinen Jungdrachen nieder. Neugierig schnupperte sie an ihm, wie er sich eng an Rolands Brust schmiegte und leise vor sich hin schnurrte. Roland versuchte, seine Liste aus dem Maul des Drachens zu ziehen, doch konnte er sie nicht aus seinem Kiefer bekommen, ohne sie zu zerreissen. Weshalb er sie ihm für den Moment liess.
Mit einem warmen Lächeln auf den Lippen blickte er auf den schnurrenden Drachen herunter und strich ihm vorsichtig über die Flanke. Eine vernähte Wunde war auf seiner Brust zu entdecken. Die lange Naht reichte von seinem Bauch über die Flanke, bis zu seinem rechten Hinterlauf. Mit leichtem Druck liess er seine Finger über seine Brustschuppen streichen. Die sanften Vibrationen seines kleinen Körpers fühlten sich angenehm an, ebenso wie die Schwingungen seiner Partnerin, welche sich hinter ihm befand und ihren Kopf an seinen anlehnte. Ihre körperliche Wärme spürend wanderte sein Blick von dem Jungtier hoch in ihre funkelnden saphirblauen Drachenaugen. Der Türkishauch darin leuchtete hell daraus hervor.
Kyndle legte einen ihrer Flügel um Roland und den kleinen Drachen, rieb sanft mit ihrer Nasenspitze an seiner und schnurrte leise. Durch ihre halb geschlossenen Augenlieder betrachtete er sein Spiegelbild in ihren Pupillen. Dabei strich er mit seiner freien Hand über ihre Wange. Das Weibchen vertiefte ihr Schnurren und lehnte sich mehr gegen seine Hand. Den Kopf leicht zur Seite geneigt legten beide verliebt die Lippen übereinander. Das intensive Summen ihres Schnurrens im Kopf zu spüren war einfach traumhaft. Den liebevollen Kuss beendet, sahen sich die beiden noch lange an, bevor sie die Augen schlossen und die Stirn aufeinanderlegten.
„Das nenne ich doch mal ein romantisches Bild“, stellte Clara lächelnd fest, während sie Roland und Kyndle mit dem kleinen Drachen ansah. Roland stand hektisch auf, als wäre er gerade aus einem Tagtraum aufgewacht. Kyndle schnaubte etwas verdutzt in seine Richtung, als er sich so abrupt aus dieser liebevollen Umarmung löste.
Roland sah Clara etwas verlegen an und schmunzelte leicht vor sich hin. „Ich … habe, also … wir wollten…“, stotterte er unbeholfen. Clara hielt ihre Hände hinter dem Rücken zusammen und lächelte Roland mit zur Seite geneigtem Kopf an. Langsam ging sie auf ihn zu. „Danke fürs Einfangen“, sprach sie gelassen, während sie ihm den kleinen, schnurrenden Drachen aus dem Arm nahm.
Roland kratzte sich am Hinterkopf und sah schnell zu Kyndle, welche langsam aufstand und sich ebenfalls Clara zuwandte. Diese streichelte dem Kleinen über die Brust und stupste schnell einmal in seine Bauchregion. Mit einem verspielten „Meep“ öffnete er kurz sein Maul. Lange genug, sodass sie ihm den Zettel aus dem Mund ziehen konnte. „Das gehört wohl dir“, grinste sie und hielt ihm das angebissene Schriftstück entgegen. Roland griff etwas gedankenverloren danach und faltete es zusammen, bevor er es in der Manteltasche verschwinden liess. Unterdessen ging Clara an ihm vorbei und hielt Kyndle eine offene Hand zur Begrüssung entgegen. Mit einem fröhlichen Gurren schnaubte sie Clara an und lehnte sich anschliessend mit geschlossenen Augen gegen ihre Hand.
Sie fuhr mit ihrer Hand unter das Kinn der Drachin und schaute ihr in die feuchten Augen. „Hast es ihm also gesagt?“, gab sie leise von sich, aber immer noch laut genug, sodass es Roland hören konnte. Bei ihrer Frage wich ihr schmunzelnder Blick langsam zu ihm. Kyndle schloss bei ihren Worten die Augen und fing an leise zu schnurren. Roland holte einmal tief Luft. „Du weisst…“ „Ja, ich weiss es“, unterbrach ihn Clara mit einem warmen Lächeln. „Ich wusste es bereits vor dir.“ Sie streichelte Kyndle sanft über die Nase. „Meinen Glückwunsch“, flüsterte sie ihr zu.
„Was kann ich also für dich tun, ausser dir den kleinen Ausreisser hier abzunehmen?“, wollte sie von ihm wissen und begann voraus zu gehen. Roland schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf und atmete gelassen aus. „Woher sollte sie das denn wissen?“, wunderte er sich. Kyndle stupste ihn kurz an der Schulter an und holte ihn aus den Gedanken zurück. Sein Blick fiel erneut in ihre Augen. Die Hand an ihrer Wange platziert schloss sie kurz ihre Lider und gurrte leise. „Schon gut, alles in Ordnung“, gab er leise von sich. Mit einem schnellen „Churr“ antwortete sie ihm und schritt Clara hinterher, dabei stets den Blick auf den kleinen Drachen gerichtet. Roland schmunzelte vor sich hin und folgte ihnen, ohne weitere Worte zu verlieren.
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In Sorlacom kniete ein Mann in einer grauen Kutte vor fünf Steinsockeln. Die Statuen zeigten die steinernen Abbilder von Arkas, Kyleth, Galvatros, Sorathis und Wyverex. Alle zeigten imposant deren unverkennbares Erscheinungsbild. Einzig die Statue von Kyleth war zusammengefallen. Die Bruchstücke lagen unberührt um den Sockel, nur der Kopf befand sich noch darauf und warf seinen leeren Blick zu dem betenden Priester. Vor dreien der fünf Steindrachen schwebten schimmernde Symbole, welche sich langsam und schwerelos um die eigene Achse drehten.
Wyverex und Galvatros hatten noch kein Symbol, was die Priester nach und nach unruhiger werden liess. „Meister Atlas?“, drang eine Stimme in den Raum. Der betende Priester hob langsam seine Stirn. „Ja?“, gab er mit geschlossenem Blick von sich. Mit einer leichten Eile trat der Mann an ihn heran. „Es ist wegen des Diebstahles in Haven.“
Atlas atmete gelassen aus und verneigte sich vor den Fünf drachischen Abbildern, bevor er sich aufrichtete und sein Gesicht dem Boten zuwandte. „Die letzte Nachricht von Bruder Minsc war nicht ganz ausführlich“, begann dieser leise, „aber es scheint, er hat eine…“ Er brach ab, als Atlas hektisch seine Hand hob und sich den Fünf Stauen zuwandte.
„Mein Herr?“, setzte der Bote verwirrt an. „Schscht!“, zischte Atlas schnell und horchte aufmerksam in den Raum. Mit gespitzten Ohren schritt er an den schwebenden Symbolen vorbei, bis er an der Statue von Galvatros ankam. Ein schwaches Knistern war von dem Steindrachen zu hören. Die leeren Augenhöhlen der dargestellten Drachin begannen in einem schwachen grünweissen Schimmer zu leuchten, während dünne Rauchfäden aus den Nasenlöchern stiegen, ebenso bei dem Nestling auf ihrem Rücken. Ein tiefes Dröhnen hallte durch den Raum und es wirkte, als würden die Drachen knurren.
Atlas hob erstaunt die Augenbrauen. Kurz darauf senkte er seinen Blick und fiel vor dem Sockel auf die Knie. Die Stirn zum Gebet gesenkt murmelte er leise Worte vor sich hin. „Var dot koros, murrum durnach dot sintha.“
Der Rauch begann vor dem steinernen Abbild zu rotieren und verdichtete sich zunehmend. Gleichzeitig erwachte darin ein helles, blaues Leuchten. Das Schimmern der grünweissen Augen strahlte heller. „Gefährte!“, hallte ein mächtiges Echo mit zwei Stimmen durch die Halle, gefolgt von einem blendenden Lichtblitz. Die Druckwelle riss Atlas die Kapuze vom Kopf, warf ihn zusätzlich nach hinten um und löschte sämtliche Kerzen im Raum.
Erschrocken den Blick nach oben gerichtet, betrachtete er das nun schwebende Symbol vor Galvatros. „Mein Herr, seid ihr verletzt?“, erkundigte sich der Priester, während er Atlas zu Hilfe kam. „Mir fehlt nichts“, antwortete er etwas ausser Atem, als er sich an seinem Helfer abstützte. „Die Ratsmitglieder müssen davon erfahren.“ Atlas setzte sich wieder vor den Statuen hin und betrachtete die vier Wächterzeichen. Der andere Priester verlor kein weiteres Wort, er nickte still und verliess eilig den Raum.
Atlas blieb sitzend in der Halle zurück und senkte seine Stirn zu den vier Symbolen. „Erheben werden sie sich…“, murmelte er leise vor sich hin.
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„Und nun bist du hier und fragst mich nach Drachenessenz?“, wollte Clara mit einem breiten Grinsen von ihrem Stuhl aus wissen. Roland sass ihr gegenüber in dem Arbeitszimmer von Barnabas, die Liste seiner Besorgungen auf dem Tisch liegend.
Ein friedliches Gurren lag in der Luft und zog die Aufmerksamkeit in ihren Bann. Roland warf einen warmen Blick zu Kyndle, welche auf dem Teppich in der Mitte des Raumes lag. Zwischen ihren Vorderläufen lag der kleine Jungdrache. Dieser schmiegte sich eng an ihre Brust und schnurrte leise vor sich hin. Die Augen halb geschlossen stupste sie den Nestling sanft an, was ihm ein niedliches „Meep“ entlocken konnte. Mit einem fröhlichen Gurren wich ihr feuchter Blick in Rolands Augen, begleitet von dem hellen Türkisfunken und einem glücklichen „Chirp“.
„Ihr seid übrigens ein hübsches Paar“, schwärmte Clara leise. „Was?“, warf Roland etwas verwirrt ein und blickte zurück zu Clara. Diese lächelte ihn zuversichtlich an. „Du hast mich schon verstanden“, fügte sie leise an und betrachtete sein verlegenes Grinsen.
„Nochmal zum Grund meines Hierseins,“ setzte Roland erneut an. „Gut“, betonte Clara gelassen, „Drachenessenz, ja?“ „Eigentlich hatte ich gehofft dies mit Barnabas besprechen zu können.“ „Er hält sich momentan in Athellion auf“, erklärte Clara. „Was macht er denn dort?“, hakte er neugierig nach. „Kann ich dir nicht sagen. Alles was ich mitbekommen habe, war, dass er es sehr eilig hatte, nach Haven zu gelangen.“ Nachdenklich blickte sie auf den Tisch. „Sein Begleiter war zunächst dagegen.“ Roland zog verwundert die Augenbrauen zusammen. „Was für ein Begleiter?“, dachte er sich, hörte aber weiter zu. „Doch sie trafen eine Abmachung, worauf er ihn begleitete.“
Barnabas Assistentin zuckte schnell mit den Schultern und warf ihren Blick zur Decke hoch. „Ist auch nicht so wichtig“, begann sie mit einem leichten Lächeln. „Du brauchst also Drachenessenz?“, fragte sie erneut. Roland nickte bestätigend und sah sie mit grossen Augen an. Clara neigte leicht ihr Gesicht zur Seite und sah ihm in die Augen. „Du hast keine Ahnung, was das ist, oder?“
Roland schmunzelte etwas verlegen. „So ungefähr“, bestätigte er. Clara atmete mit geschlossenen Augen einmal gelassen aus. „Ist nicht tragisch“, meinte sie aufmunternd. „Drachenessenz gibt es in flüssiger Form oder als Pulver. Verwendet wird es meistens als Willenskraftstärkung“, erklärte sie. „Und wie das?“, wollte er wissen. „Im Normalfall wird es als Trank getrunken. Es verleiht der Willenskraft des Trinkenden einen enormen, aber kurzweiligen Schub und wirkt dem kräftezehrenden Prozess beim Anwenden von Magie entgegen. Man kann damit seine Kapazität kurzzeitig verdoppeln. Jedoch zu viel davon erzielt den genau entgegengesetzten Effekt.“ Mit einem ernsten Gesichtsausdruck sah sie Roland an. „Es blockiert den Zugang für gewisse Zeit.“
Nachdenklich lauschte Roland ihren Worten. „Und wie viel ist zu viel?“, bohrte er nach. Clara lächelte ihn an und stand von ihrem Stuhl auf. Sie ging zu einem Schrank an der Wand und zog eine der Türen auf. Prüfend wanderte ihre Hand von einem Etikett zum nächsten, bis sie das gesuchte Fläschchen schliesslich gefunden hatte. Sie griff danach und schloss die Schranktür wieder. Auf ihrem Stuhl Platz genommen stellte sie den durchsichtigen Behälter auf den Tisch.
Roland betrachtete verwundert die kleine Flasche. Sie war mit einer dunkelblauen, trüben Flüssigkeit gefüllt. Die Menge selbst gab in etwa einen grosszügigen Schluck her. „Das ist die übliche Menge“, betonte Clara mit einem etwas ernsteren Gesichtsausdruck. „Alles darüber würde sich negativ auswirken. Es ist daher bei vielen Magiern als Notration eingeplant, vorausgesetzt sie haben das nötige Kleingeld dafür.“ Roland verdrehte sogleich die Augen, als er die Worte ‘das nötige Kleingeld‘ vernahm. „War ja klar“, dachte er sich sarkastisch und runzelte die Stirn.
Seine Aufmerksamkeit wurde aber erneut zu Kyndle gezogen. Verspielte Laute lockten seinen Blick nach hinten. Das orangerote Weibchen lag friedlich gurrend auf dem Teppich, während der kleine Drache mit leicht tapsigen Schritten ihren Rücken hochkletterte. Sein vergnügtes „Chirp“ betonte seine etwas unbeholfenen Bewegungen. Kyndle drehte ihren Blick zu dem Kleinen und schnaubte leicht in dessen Gesicht. Mit einem niedlichen „Meep“ platzierte er seine Vorderläufe auf ihrem Kopf und warf seinen unschuldigen Blick in ihre funkelnden Augen.
Sie spürte das sanfte Summen seines leisen Schnurrens im Kopf und schloss gurrend ihre Augen zur Hälfte. Sie hob langsam ihr Gesicht, worauf sich der Jungdrache stärker festklammerte. Kyndle platzierte ihn so wieder zwischen ihren Vorderläufen und versuchte ihn abzuschütteln, doch er hielt sich erfolgreich fest. Sie streckte ihre Zunge heraus und liess sie mit einem sanften Gurren über seinen Bauch streichen. Mit einem niedlichen „Meep“ liess er unerwartet los und landete zwischen ihren Pfoten auf dem Rücken. Kyndle hielt ihren Kopf leicht zur Seite geneigt und sah den Kleinen mit ihren funkelnden Augen an. Verspielt bewegte er sich auf ihren Vorderläufen und streckte neckisch seine Zunge aus dem Maul. Gurrend stupste sie ihm mit der Nase in den Bauch und schnaubte ihn einmal an.
Roland betrachtete lächelnd das niedliche Schauspiel und sah seine Drachin mit einem warmen Blick an. Kyndle bemerkte den Beobachter und erwiderte den Sichtkontakt mit dem hellen Funkeln aus ihren Saphiraugen. Er spürte deutlich ihren seelischen Kontakt. Am liebsten wäre er jetzt aufgestanden, um ihr einen langen Kuss auf die Lippen zu drücken. Claras Anwesenheit hielt ihn jedoch zurück.
Den Blick nachdenklich auf den Boden gesenkt trat plötzlich der Jungdrache in sein Blickfeld. Mit zur Seite geneigtem Kopf schaute er zu dem Mann hoch. Roland sah dem Kleinen in die Augen und streckte seine Hand nach ihm aus. Sanft strichen seine Finger über dessen Wange, was er mit einem leisen Schnurren beantwortete. Ein fröhliches „Chirp“ kam aus seinem Hals, während er sich verspielt auf den Rücken drehte. Dabei bemerkte Roland wieder die vernähte Wunde auf dem Bauch des Nestlings.
„Was ist mit ihm passiert?“, fragte er Clara mit einem verwunderten Gesichtsausdruck. Kyndle hatte sich neben dem kleinen Drachen platziert und schmiegte ihren Kopf sanft an Rolands. Bei seiner Frage an Clara, wandte sie sich ebenfalls ihr zu. Barnabas Assistentin wirkte im ersten Moment etwas verloren, fand ihre Gedanken aber schnell wieder.
„Vor einigen Wochen hat eine Patrouille Soldaten auf der Königsstrasse eine Schmugglerbande aufgegriffen“, begann sie leise. „Diese Schmuggler waren unweit der Grenze zu Sullfar erwischt worden. Neben diversen gestohlenen Gütern haben sie auch einen Käfig sichergestellt.“ Ihr Blick wich traurig auf den Tisch. „In dem Käfig waren drei verletzte Nestlinge eingepfercht.“ Roland beobachtete sie angespannt. Er war sich sicher eine Träne in ihren Augen zu erkennen, doch äusserte er sich nicht dazu. Clara holte tief Luft. Ein kaum bemerkbares Schluchzen war zu hören. „Er hier ist einer von ihnen.“ Mit einer leicht zittrigen Hand deutete sie auf den kleinen Drachen, der sich schnurrend an Kyndles Flanke anlehnte. „Und die anderen beiden?“, wagte Roland vorsichtig zu fragen. Clara senkte mit einem schwachen Ausatmen ihr Gesicht und wischte sich eine Träne aus den Augen. „Jedenfalls hat er es geschafft“, antwortete sie ausweichend und lächelte den Nestling an.
In Roland kam gerade wieder die Erinnerung hoch, als Kyndle entführt wurde. „Was wollten diese Schmuggler denn mit den kleinen Drachen tun?“, hakte er ernst nach und versuchte das schmerzende Bild von der gefesselten und verwundeten Kyndle zu verdrängen. Er griff sich an die linke Schulter, welche gerade ein leichtes Kribbeln ausstrahlte. Seine Drachin warf ihm einen warmen Blick zu. Sie spürte deutlich seine niedergeschlagenen Emotionen und leckte ihm tröstend über die Wange. Er griff mit seiner Hand an ihr Gesicht und presste ihren Kopf mehr an seinen.
Clara wartete einen kurzen Moment und sah die beiden schweigend an. „Vermutlich wegen ihrer Schuppen“, begann sie mit ernstem Gesicht. „Drachenschuppen, insbesondere solche von Jungtieren, haben auf dem Schwarzmarkt einen hohen Wert. Der Zustand der Drachen ist diesen Verbrechern aber meistens egal.“ Sie warf ihren Blick etwas verloren in den Raum. „Eigentlich will ich gar nicht wissen, was sie alles mit den Kleinen machen“, argumentierte Clara und atmete gelassen aus.
Roland holte einmal Luft und schluckte dieses traurige Bild herunter. Barnabas Assistentin schloss kurz die Augen, um ihre Gedanken neu zu ordnen. Einen Augenblick später war wieder ihr freundliches Lächeln zu erkennen. „Ich sag dir was“, setzte sie schmunzelnd an. Roland hob erwartungsvoll die Augenbrauen. „Du kannst die Flasche Drachenessenz haben.“ Sie zeigte auf die trübe blaue Flüssigkeit auf dem Tisch. „Einfach so?“, hakte Roland etwas misstrauisch nach. Clara stand von ihrem Stuhl auf und ging um den Tisch. „Nennen wir es ein Dankeschön für das Einfangen dieses kleinen Ausreissers hier“, bestätigte sie lächelnd, während sie den Nestling vom Boden aufhob und ihm sanft über den Bauch streichelte.
Roland sah seiner Drachin schnell in die Augen und legte seine Stirn auf ihre. „Zwei Punkte erledigt, bleiben noch vier“, flüsterte er leise. „Und übrigens danke für vorhin.“ Verliebt legte er seine Lippen auf ihre und Kyndle fügte der sinnlichen Berührung ihr sanftes Schnurren hinzu.
Clara sah mit dem kleinen Drachen im Arm beide lächelnd an. „Siehst du?“, flüsterte sie neckisch dem Jungtier zu und zeigte dabei zu Roland und Kyndle. „Liebe ist etwas so Wunderbares.“ Sie hob ihn höher und rieb mit ihrer Nase an seiner Schnauze. Mit einem leisen Gurren kommentierte er ihre Geste. Kurz darauf verliess sie mit dem Nestling leise den Raum.
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In Ironwing sass Catherine nachdenklich in ihrem Arbeitszimmer. Müde lag ihr Blick über den Berichten der Nachtwache. Plötzlich öffnete sich unerwartet die Tür und Daniel kam aufgeregt in den Raum. In seiner Hand hielt er einen versiegelten Brief. Catherine stand von ihrem Platz auf und holte Luft für eine Frage, bekam von Daniel aber nicht die Gelegenheit, sie zu stellen.
„Es ist ein Brief mit eurem Namen darauf eingetroffen“, kündete er nervös an. Seine Herrin blickte ihn beruhigend an. „Das ist doch noch kein Grund für eine solche Aufregung“, sprach sie lächelnd und ging um den Tisch herum auf ihren Bediensteten zu. Daniel schwenkte jedoch verneinend den Kopf. „Er wurde von einem Drachenreiter zugestellt“, sagte er mit grossen Augen. „Einem Dragoner aus Sorlacom.“ Catherines Blick fuhr schlagartig zu Boden. Nach einem kurzen Moment schaute sie gedankenversunken aus dem Fenster und schritt langsam an das Glas heran. Mit der Hand an der Scheibe betrachtete sie den gepanzerten Hornschwanz und dessen Reiter auf dem Vorplatz des Anwesens. In den Berichten vertieft hatte sie gar nicht bemerkt, dass dieser Drache gelandet war. „Leg den Brief auf den Tisch“, ordnete sie monoton und ernst an.
Daniel schluckte einmal leer und blickte seine Herrin verwundert an, tat aber wie ihm geheissen und platzierte den Umschlag auf der Tischplatte. „Das wäre dann alles“, fügte sie dem hinzu. Er machte mit dem Oberkörper eine vorgebeugte Geste und verliess wortlos den Raum und schloss die Tür wieder hinter sich. Catherine stand an dem Fenster und liess ihre Augen über den Garten des Anwesens gleiten. Kurz darauf schloss sie sie und senkte nachdenklich ihre Stirn.
Daniel blickte noch eine Weile gedankenverloren zu der Tür, drehte sich dann aber um und schreckte anschliessend auf. Mit einem hektischen Aufatmen bemerkte er Tim, welcher ihn mit seinem leeren Blick ansah. „Was stand denn da drin?“, fragte er. Daniel schüttelte den Kopf und atmete erst einmal durch. „Ich weiss es nicht“, antwortete er leicht gereizt. „Ich will es, glaube ich, auch nicht wissen.“ Timmy tippte ihm einmal auf die Schulter. „Nochmal, wegen deines Stresspegels.“ Daniel sah ihn verwirrt und zornig zugleich an. Anschliessend ging er kopfschüttelnd an ihm vorbei. „Bei den Fünf das kann doch nicht sein Ernst sein, jetzt für sowa…“, grummelte er vor sich hin.
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Die Sonne setzte währenddessen eifrig ihren Weg über den Himmel fort.
Mit der Hand vor dem Gesicht blickte Roland nach oben. „Wenn wir in dem Tempo weitermachen, sind wir übermorgen noch nicht fertig!“, meckerte er vor sich hin. Kyndle stupste ihm leicht in den Bauch und holte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ein verkrampftes Zucken später hielt er sich die Liste erneut vor sein Gesicht. Grübelnd legte er seine Stirn in Falten. „Hmm, ich denke, wir gehen jetzt gleich zu einem Schmied in der Stadt. Bis ins Schloss und zurück? Da reicht die Zeit für den Rest sicher nicht“, argumentierte er zuversichtlich zu seiner Drachin, welche ihn mit halbgeschlossenen Augen ansah. „Da können wir hoffentlich gleich zwei Punkte von dieser Liste streichen.“ Kyndle mache mit einem starken Schnauben eine nickende Kopfbewegung, gefolgt von einem schnellen „Churr“. Lächelnd sah er seine Drachin an und rieb mit seiner Hand über ihre Stirn, bevor er die Liste zusammenfaltete und in seiner Manteltasche verschwinden liess.
Zusammen verschwanden sie unter dem Torbogen zum Umbra-Viertel.
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