
Vorhergehendes Kapitel / Erstes Kapitel / Nächstes Kapitel
Five Dragons: DLvP: Kapitel 26: Gefangen
Die Nacht war über Sorlacoms Dächern eingebrochen und es huschte ein einzelner Schatten über den grossen Platz hinter der Kathedrale. Geschwind bewegte er sich geduckt hinter den Zinnen, von einem Schatten zum nächsten, bis vor den Eingang zu den Drachenquartieren.
Roland stand gut gerüstet auf dem grossen Platz der Kathedrale. Hoffnungsvoll warf er seinen Blick über die Zinnen in Richtung Norden. „Ich komme zu dir, Kyndle“, sprach er leise vor sich her, als ein schneller Luftstoss die Mauer hochschnellte. Er duckte sich hastig hinter die Mauer und vernahm das Schlagen von grossen Flügeln. Mit eleganten Bewegungen landete ein Greif neben ihm. Imposant streckte dieser seine gefiederte Brust nach vorne und legte stark schnaubend seine langen Flügel an, bevor er sich auf den Boden legte, um seinen kleinen Reiter absteigen zu lassen.
Verwundert blickte Roland auf den Zwerg, der auf ihn zuschritt. „Mit Laufen wirst du erst im nächsten Zeitalter dort ankommen, du Depp!“ Kumash winkte ihn zu sich und deutete nach vorne auf den Greif. „Damit geht’s schneller.“ Der Greif stand daraufhin schnell auf und legte seine Flügel aggressiv an, den Kopf drohend gesenkt winkelte er seine Ohren nach hinten. Das unverkennbare Fauchen von diesem Wesen rundete die Geste ab. Roland stand still und betrachtete angespannt die geschlitzten Pupillen des Raubvogels, welche den Zwerg betrachteten. Kumash hielt beide Hände hoch und räusperte sich laut. „Schon gut, schon gut. Meine Fresse!“, murmelte er mit rollenden Augen vor sich hin. Er machte eine leicht vorgebeugte Geste dem Greifen gegenüber. „Mit eurer Hilfe geht es wesentlich schneller, Attrius“, sprach er überdeutlich. „Arrogantes Gefieder“, dachte er anschliessend mürrisch in sich.
Der Greif nahm augenblicklich eine gelassenere Haltung an und nickte den beiden bestätigend zu. Kurz darauf senkte er sich wieder auf den Boden und liess Kumash erneut auf dem Sattel Platz nehmen. „Warum hilfst du mir?“, wollte Roland wissen. „Weil ich so ein liebreizendes Kerlchen bin“, entgegnete er mit sarkastischer Miene und übertrieben blinzelnden Augen. Roland sah ihn verwirrt an. „Ach, ich erklär dir den Scheiss auf dem Weg. Aufsitzen, jetzt!“, forderte der Zwerg bestimmt und zeigte mit ausgestrecktem Finger auf den hinteren Sattelbereich. Skeptisch näherte sich Roland dem Greifen.
…………………………………………………………………………………………………..
Attrius flog mit beachtlicher Geschwindigkeit. Statt erst nach einigen Tagen erreichten die beiden Gefährten, dank des Greifen, ihr Ziel im östlichen Orcus bereits nach nur einem knappen Tagesflug. Der Mond stand hoch am Himmel, als sie zur Landung in sicherer Distanz zu Xeens Turm ansetzten. „… und genau darum will ich dieses Arschloch persönlich auf die andere Seite schicken“, beendete Kumash seine Erzählung, als er von dem Sattel abstieg. Roland sagte dazu nichts. Still stieg er von dem Greifen ab und schnallte die Satteltasche ab. Er schritt vor den Raubvogel und strich ihm dankend vom Kopf aus den Hals herunter. Sanft fuhr seine Hand durch das weiche Federfell. Mit geschlossenem Blick nahm der Greif von seiner Berührung Kenntnis und gurrte leise. „Danke“, flüsterte er ihm zu. „Und bestell Barnabas schöne Grüsse“, fügte Kumash dem hinzu.
Der Greif stellte sich aufrecht hin und neigte seinen Kopf grüssend nach vorne, bevor er sich mit eleganten Flügelschlägen wieder in die Luft erhob. Schwer atmete Roland ein. „Warum Barnabas?“, wollte er von dem Zwerg wissen. „Na weil das sein Vogel war“, antwortete er ihm. „Ist aber trotzdem ein arrogantes Arschloch.“
„Gut“, begann Roland zuversichtlich. „Wir sollten …“ „Pass doch auf!“, wurde er hektisch von Kumash unterbrochen. Roland hatte aus Versehen dessen Tasche umgeworfen und Teile des Inhaltes rollten heraus: eine halbvolle Glasflasche und eine metallene Kugel mit einem dicken Docht daran. Leicht panisch griff der Zwerg nach der Kugel und schaute sie prüfend an. Erleichtert atmete er aus, als er keine Beschädigung entdecken konnte. „Und das ist was?“, erkundigte sich Roland. Kumash sah ihn energisch an und hob dabei die Kugel hoch. „Das wird mir helfen, diesem Wichser so richtig schön den Arsch platzen zu lassen“, antwortete er, als er sie wieder in seiner Tasche verstaute. „Ist ne Spezialanfertigung von so einer Arschgeige aus Riva. Der hiess Gerhard, oder so, glaube ich … aber egal!“ Ein breites Grinsen wuchs unter seinem dichten Bart. „Der wird gar nicht mitkriegen, wie schnell ich ihm die Rübe einschlage.“ „Und was ist damit?“, fragte Roland neugierig und deutete auf das eingewickelte Schwert auf Kumashs Rücken. Auf dem verdreckten Schwertgriff war das Zeichen von Arkas zu erkennen. „Nicht anfassen!“, grunzte der Zwerg mürrisch. „Das ist ebenfalls für das Oberarschloch vorgesehen.“
Nach einigen Laufminuten erreichten sie schliesslich den Ausblick auf Xeens Turm. Düster ragte der schwarze Bergfried aus dem Mauerwerk empor und aus den oberen Fenstern drang ein schwaches Licht nach draussen. Die ganze Festung war um einiges grösser, als er es in seiner Vision gesehen hatte. Geschützt durch einen niederen Felsen spähte er an der Mauer entlang. Zahlreiche Schattenrüstungen bewegten sich hinter den Zinnen und vor dem Haupttor schwebte eine seltsame grosse Kugel mit mehreren Löchern darin. „Was ist denn das?“, wunderte sich Roland im Flüsterton.
Oberhalb des Tores lehnte sich eine der Schattenrüstungen über die Zinnen. Ungeschickt stiess sie einen kleinen Stein von der Mauer, welcher neben der schwebenden Kugel auf den Boden fiel. Schreckhaft erwachte das Ding. Ein riesiges Auge öffnete sich in der Mitte und aus den Löchern kamen kleine Tentakel mit weiteren Augen darauf heraus. Unterhalb der grossen Iris riss ein breites Maul mit langen dolchartigen Reiszähnen auf. Mit einem lauten Knurren blickte es den gefallenen Stein an. Die Pupille des grossen Auges wurde feuerrot und kurz darauf stach eine Feuersbrunst daraus hervor. Schnell wechselte die Augenfarbe in ein helles Blau und ein starker Blitz entlud sich in die brennende Stelle, wo der Stein gelandet war. Die vermeintliche Bedrohung beseitigt, blickte das Auge hektisch mit den Tentakeln hin und her. Nur langsam schloss es sich zögerlich wieder und die kleinen Tentakel zogen sich zurück.
„Scheisse, ein Betrachter“, murmelte Kumash vor sich hin. „Wenn der uns bemerkt sind wir gefickt. Den Weg würde ich also nicht empfehlen.“ „Ich auch nicht“, bestätigte Roland. „Wir sollten von dort aus reingehen“, schlug er leise vor und zeigte zu dem Riss in der Mauer auf der linken Festungsseite.
„Was wenn da drinnen noch mehr solcher Überraschungen auf uns warten?“ „Besser wäre es, wenn nicht“, sprach Roland zuversichtlich. „Ich hab Aaros übrigens noch ein wenig über diese Minerva ausgequetscht“, begann Kumash. „Und?“, hakte sein Kollege angespannt nach. „Hör zu, diese Hure nennt sich doch wirklich selbst die Prinzessin der Nacht“, gab er amüsiert von sich. „Das hilft uns nicht, Kumash.“ „Oh, ausserdem kann sie solche Missgeburten, wie die da unten, beschwören.“ Schwerfällig atmete Roland aus. „Das kann ja heiter werden“, dachte er sich.
Zuversichtlich schaute er erneut zu der dunklen Festung. „Also, gemäss der Vision wird Kyndle im Bergfried gefangen gehalten.“ Mit ausgestrecktem Arm zeigte er auf den düsteren Turm. „Irgendwo in den oberen Räumen, wo das Licht zu sehen ist.“ Angespannt schaute er die leuchtenden Fenster an, als er plötzlich ein leises Räuspern von Kumash vernahm. Er wandte sich dem Zwerg zu und war sich sicher, ein breites Schmunzeln unter dessen Bart zu sehen. „Was?“, fragte er verwundert nach. „Nichts. Ich hab mir nur gedacht … egal“, begann er amüsiert. „Ja, was?!“, hakte Roland ungeduldig nach. „Naja, eine Prinzessin, die einen Drachen im Turm gefangen hält.“ Kumash sah Roland einen langen Augenblick an. „Klingt doch irgendwie nach einem billigen Klischee, nicht?“ Roland wandte sich kopfschüttelnd wieder nach vorne. „Wie soll uns das denn bitte weiterhelfen?“, gab er leise von sich.
„Ach geh doch scheissen“, räusperte sich der Zwerg leise und rückte sich seine Tasche zurecht. „Also dann, nach dir“, fügte er an und stellte sich hinter ihn. Roland schwenkte um den Felsen und betrachtete den grossen Riss in der Mauer. Mit geschlossenen Augen atmete er tief ein, während er sich sein Medium zurecht zog. Leicht hoben sich dabei die Schuppen auf dem Handrücken. Es schien ihm, als würde mehr von seiner Kraft zurückkehren, je näher er dem Bergfried kam.
Geduckt und im Schatten der Mauer schlichen beide zu dem Durchbruch. Vorsichtig wagte er einen Blick um die Ecke. Hecktisch zog er seinen Kopf dann aber wieder zurück und stemmte sich schwer atmend gegen die Mauer. Kumash packte er an der Brust und drückte ihn ebenfalls an die Wand. „Was zum …?!“, knurrte er leise. „Schhht!“, zischte Roland schnell dazwischen. Kurz darauf schwebte ein weiterer Betrachter aus dem Riss und blickte knurrend in die Umgebung. Behutsam bückte sich Roland und hob einen kleinen Stein auf. Lautlos warf er ihn hinter die nahen Büsche.
Der Betrachter schwenkte augenblicklich in die Richtung des Geräusches. Mit aufgerissenem Maul und ausgefahrenen Tentakeln flog er brüllend hinter das Gebüsch. Kurz darauf hallte das Fauchen einer lodernden Feuersbrunst zurück. Roland winkte Kumash zu und mit schnellen Schritten bewegten sie sich durch den Mauerriss. Im Burghof angekommen suchten sie gleich Deckung hinter einem offenen Käfigwagen. „Das war knapp“, flüsterte Kumash und blickte zu der Mauer zurück. Kurz darauf schwebte der Betrachter wieder in den Hof und setzte seinen Patrouillengang fort. „Einfacher wird’s nicht“, entgegnete Roland leise und hob seine Aufmerksamkeit zu dem zweiten Tor hoch. „Wenigstens ist das Fallgitter oben“, stellte er erleichtert fest und spähte weiter an den Zinnen entlang. Verwundert warf er seinen Blick dann zu der äusseren Mauer. „Seltsam?“, murmelte er vor sich hin. „Was?“, hakte Kumash leise nach, der immer noch den Betrachter im Auge hatte. „Es sind nur auf der äusseren Mauer Wachposten abgestellt.“
Kumash drückte ihn leicht nach vorne. „Ehrm …, das Ding da kommt zu uns rüber.“ Roland warf seine Aufmerksamkeit nach hinten und erkannte den Betrachter, wie er auf ihre Deckung zuhielt. Prüfend wanderte das aufmerksame Auge um den Wagen, doch war niemand zu sehen. Mit einem dumpfen Knurren schwebte die Bestie weiter über den Platz.
Im Schatten des Torbogens kam Rolands Kopf hervor und vergewisserte sich, dass sie unentdeckt geblieben waren. „Alles klar, und weiter.“ Beide schritten unter dem hochgezogenen Fallgitter hindurch und fanden einen leeren Burghof vor. Kumash rückte sich seine Tasche zurecht und spuckte einmal auf den Boden. „Die Sache stinkt“, grummelte er vor sich hin.
Ein ohrenbetäubendes Fauchen fegte über den Platz und kurz darauf fiel das Fallgitter hinter ihnen nach unten. Von oberhalb des Torbogens sprang eine grosse Gestalt nach unten und landete geräuschvoll vor den beiden Eindringlingen. „Leichte Beute!“, keuchte er und stellte sich aufrecht hin. Ein leises Knirschen kam von seiner verbeulten Rüstung, als er seine mächtige Zweihandaxt hervorzog. Auf dem nachtschwarzen Metall schimmerten kleine, violette Runen. Neben dem dunklen General tauchten zwei Betrachter auf und versperrten die verbliebenen Fluchtwege.
Roland hob sein Medium hoch und erschuf eine helle Flamme in seiner Hand, bereit den Kampf zu starten. Die geschlitzten Augen der Betrachter starrten ihn daraufhin knurrend an. Ein diabolisches Lachen hallte über den Innenhof und ein grüner Flammenkreis entfachte sich um Roland und Kumash. Vor dem Bergfried stach eine hohe Stichflamme in den Nachthimmel und brachte den Herrn von Xeens Turm zum Vorschein. Drohend schwebte der Nekromant vor ihnen. Seine knochigen Hände gehoben brannten sie kampfbereit mit grünen Flammen. „Wie schön, dass Ihr uns doch noch mit eurer Anwesenheit erfreut.“ Ein düsteres Funkeln aus seinen schwarzen Augenhöhlen begleitete seine keuchenden Worte. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass ihr den Gefallen meines letzten Besuches so rasch erwidern würdet.“ Langsam senkte sich Kargesh und schaute gierig zu Roland. „Wähle deinen nächsten Schritt mit Bedacht“, drohte er fordernd.
Rolands Blick wanderte langsam herum: Ein Nekromant vor ihm, je ein Betrachter an den Seiten und ein General des Nordreiches im Rücken. Dazu noch die Schattenrüstungen auf der Mauer und Kargeshs Heimvorteil. Gegen ihn und Kumash Gor. Eine Situation, der sie beide nicht entkommen konnten. Gelassen atmete er aus, als er die Flamme in seiner Hand zum Erlöschen brachte und kurz darauf spürte er einen dumpfen Schlag an seinem Hinterkopf. Mit benebeltem Blick sank er auf die Knie. Ein lautes „Fickt euch ins Knie!“ hörte er noch von seinem bärtigen Kameraden, bevor er das Bewusstsein verlor.
Leise kamen Rolands Sinne zurück und dumpf vernahm er die Stimme von Kumash Gor. „Du wandelnder Sack Scheisse! Ich rede mit dir!“ Roland erkannte eine silberne Maske in seinem Blickfeld, die ihn mit einem gierigen Funkeln in den Augen anstarrte. Leicht seitlich geneigt drang das dumpfe Keuchen hinter dem silbernen Gesicht hervor. „HEY! Beweg deinen ranzigen Arsch hierher, damit ich ihn persönlich zum Knochenhof treten kann!“, brüllte Kumash weiter aus seiner Zelle nebenan. Mit einem herablassenden Fauchen schwenkte Kargeshs Blick zu dem wütenden Zwerg. Gebeugt schritt er langsam zu dem kleinen Mann und schaute ihn mit schräggehaltenem Kopf an. „Stur und kurzsichtig, die ganze Blutlinie“, flüsterte seine beissende Stimme durch das Gitter. Mit angespannter Miene starrte Kumash den Nekromanten wutentbrannt an. „Ich werde dir meinen Stiefel so tief in den Arsch treten, dass du ne Woche lang meinen Schuh verdaust!“, drohte er. Im selben Augenblick begann Arkas Zeichen auf seinem Nacken leicht zu glühen.
Roland betrachtete in der Zwischenzeit seine Zelle. Er war an einer aufgestellten Folterbank an seinen Handgelenkfesseln aufgehängt. Seine Füsse baumelten lose in der Luft. Auf einem Tisch an der hinteren Wand des Raumes waren seine Habseligkeiten und die von Kumash aufgestellt. Sein Medium lag ebenfalls dort.
Finster kichernd schritt der Nekromant zu Rolands Zelle zurück. Durch seine knochigen Finger hindurch blickte er Roland gierig an. „Zu lange warte ich schon auf diesen Augenblick.“ Er senkte seine Hand und starrte ihn mit schräggehaltenem Gesicht weiter an. „Wo ist sie?“, fragte Roland bestimmt und sah den Nekromanten ernst an. „Ha, der Drache ist also deine einzige Sorge?“ Leicht senkte Roland seinen Blick und atmete schwerfällig ein. „Na na na, nur keine Tränen vergeuden.“ Einen ausgestreckten Zeigefinger schwenkte Kargesh bei seinen Worten hin und her. „Sie hat die Ehre, Teil von etwas Grossem zu sein.“
„Doch das hat dich nicht mehr zu kümmern.“ Mit ausgestrecktem Finger zeigte er auf seinen Gefangenen. „Keiner entzieht sich einem Pakt mit mir.“ Verwundert blickte Roland die Maske an. „Was für ein Pakt?“, wollte er wissen. Die Gitterstäbe seines Gefängnisses lösten sich in Rauch auf, als Kargesh zu ihm in die Zelle schritt. Keuchend näherte er sich ihm. Mit seiner knöchernen Hand hob er die Maske von seinem schrecklichen Gesicht und offenbarte sein fauliges Antlitz. Die violetten Flammen in seinen modrigen Augenhöhlen loderten gierig, während er seinem Gefangenen seinen kalten Atem ins Gesicht hauchte. Roland wandte sich von ihm ab, als ihm der verwesende Geruch in die Nase stieg. „Dein Vater hielt sich für schlau und war sich sicher, er hätte an alles gedacht, auch dich vor mir zu verbergen“, keuchte er mit seiner bissigen Stimme. Rolands Augen weiteten sich schlagartig, als er ihn erwähnte. „Doch wie es aussieht, haben sich all seine Bemühungen gerade in Luft aufgelöst.“ Leise kichernd setzte er seine Maske wieder auf und schritt durch die rauchigen Gitterstäbe zurück nach draussen. Kaum stand er vor der Zelle, erschienen die Metallstangen wieder. „Deine Rolle in dieser Geschichte wird bald vorbei sein“, verkündete er leise, ohne sich umzudrehen und mit einem finsteren Kichern ging er auf die Tür zu.
„Wenn es dir um mich geht, was willst du dann von Kyndle?!“, schrie ihm Roland hinterher und zog kräftig an seinen Fesseln. Doch diese gaben in keiner Weise nach. Lange schaute er dem Nekromanten hinterher, bis dieser schliesslich den Raum verlassen hatte. Schwerfällig fiel die Eisentür zu und liess beide Gefangenen alleine zurück. Rolands Kopf fiel niedergeschlagen nach vorne.
„Ahh, Fickfressen!“, kam es laut von Kumash aus der Zelle auf der anderen Seite. „Diese Fotzenköpfe haben sogar meine versteckten Dietriche gefunden!“, fluchte er weiter, während er sich in der Hose herumfummelte. Roland schüttelte darauf nur den Kopf und liess seine Stirn erschöpft nach vorne fallen.
Der Zwerg schritt an seine Zellentür heran und blickte nachdenklich heraus. „Ist doch zum Kotzen! Wir müssen hier schleunigst raus, verdammt!“, warf er wütend in den Raum. „Ich hab mit diesem wandelnden Sack Scheisse noch eine Rechnung offen!“ Roland hob mit geschlossenen Augen leicht seine Stirn. „Erzähl mir mal was Neues“, sprach er leise in den Ketten hängend.
„Ihr könnt ihn nicht aufhalten … nicht mehr“, klang eine weibliche Stimme aus der dritten Zelle in der hinteren Ecke. Zwei silberne Augen schimmerten aus dem Schatten heraus. „Wir sind lediglich Schachfiguren in einem Spiel, das die Mächtigen dieser Welt unter sich austragen.“ Niedergeschlagen setzte sich die Frau auf den Boden. „Du bist doch diese Minerva, richtig?“, kam es leise von Roland. „Du warst auch in Ironwing.“
Mit einer Hand rieb sie sich angespannt über das Gesicht. „Ich hätte es besser wissen sollen, hätte die Zeichen früher erkennen müssen“, klagte sie weiter. „Und nun, da ich meinen Nutzen erfüllt habe, gehöre ich auch zum entbehrlichen Abfall.“ „Es ist noch nicht zu spät, das Richtige zu tun“, warf Roland zuversichtlich ein. „Sag mir nur wie ich das …“ „Doch, das ist es!“, schrie Minerva entmutigt dazwischen. „Kargesh ist auch nur eine weitere Marionette in diesem Spiel! Und in seiner Arroganz bemerkt er es nicht einmal!“ Vollkommen verängstigt starrte sie durch das Gitter. „Die Kräfte, die sie freizusetzen versuchen, übersteigen unser Verständnis bei weitem.“ Mit einem paranoiden Glitzern in den Augen wich sie wieder in den Schatten ihrer Zelle zurück. „Diesem Ansturm sind wir nicht gewachsen.“ Ein ängstliches Flüstern drang zuletzt noch aus der dunklen Ecke. „Keiner von uns …“
„Gut, diese Fotze können wir schon mal von der Liste streichen“, warf Kumash laut ein. „Irgendwelche Ideen?“, fragte er leer in den Raum heraus. Roland begann seine linke Hand in der Fessel zu drehen. „Nun, ich könnte vers…ARGH!“ Plötzlich riss er seine Augen auf und hob verkrampft seinen Kopf hoch. Nach Luft ringend zitterte er hektisch in seinen Fesseln. Kumash schreckte leicht von seiner Zellentür zurück, als er Rolands Reaktion sah.
Ein panischer Hilferuf von Kyndle prallte schmerzend gegen seine Seele. Er krümmte sich, als würde ihm jemand eine Klinge direkt ins Herz stossen.
„WAS ZUM?!“, rief Kumash erschrocken in seiner Zelle, als er seinen Kameraden betrachtete. Roland warf sich in den Ketten hin und her, doch die Fesseln hielten ihn fixiert. Schmerzvolles Stöhnen gab er von sich und rang unkontrolliert nach Luft.
In Rolands Gedanken hallten die intensiven Eindrücke von Kyndle wieder. Der Zugang zu ihr war zwar immer noch blockiert, doch diese Gefühle, diese Schmerzen waren nun dennoch präsent. Es fühlte sich an, als stünde er in Flammen, während ihm langsam die Seele aus dem Körper gerissen wurde.
„Was macht dieser Bastard nur mit ihr?!“, klagte seine Gedankenstimme gegen ihre wimmernden Echos. Doch dann begann die Verbindung merkbar schwächer zu werden. Ihre Seele entfernte sich weiter von ihm. Angsterfüllt blickte Roland in die Leere, mit dem Wissen, dass seine Partnerin womöglich im Sterben lag und er nichts dagegen tun konnte.
Roland ballte beide Hände zu Fäusten und schloss seine Augen. Eine grosse Wut sammelte sich erschreckend schnell an. Kyleths Symbol auf seinem rechten Handrücken begann hell zu glühen. Sein Medium flog blitzschnell von dem Tisch in seine Zelle. „DAS LASSE ICH NICHT ZU!“, gab Roland mit einer finsteren Stimme von sich. Die Fesseln an seinen Handgelenken glühten rot, bis sie schlussendlich mit der darauf folgenden flammenden Schockwelle zerbrachen. Die lodernde Druckwelle zerstörte ebenso seinen Käfig und schleuderte die Bruchstücke kräftig weg.
„VERDAMMT!“, schrie Kumash, als er noch rechtzeitig von der Tür verschwinden konnte. Die Trümmer von Rolands Käfig durchschlugen die Gitterstäbe, als wären sie aus Papier. Glühend steckten die Metallstangen in der Wand des Verlieses. Verwirrt blickte der Zwerg zu seinem Kollegen. Kurz danach erspähte er den Tisch, auf dem seine Ausrüstung lag.
Von den Fesseln befreit, schwebte Roland in den Resten seines Käfigs. Den finsteren Blick seiner glühenden Augen auf das Tor gerichtet atmete er schwer ein, als ihn ein weiteres Echo von Kyndle erreichte. „DAS WERDET IHR NICHT TUN!“, hallte seine dröhnende Stimme gegen den verschlossenen Eingang. Eine starke Druckwelle begleitete seine Worte und prallte laut gegen die eiserne Tür.
Kumash sammelte unterdessen seine Ausrüstung und griff zuletzt nach dem eingewickelten Schwert. Während er es sich auf den Rücken band, blickte er zu der dunklen Zelle in der Ecke. Eine Blutlache bedeckte den Käfigboden und Minerva steckte von drei Gitterstäben durchbohrt in der Wand. „Hmpf“, grunzte er, als er sich von ihr abwandte.
Vor dem verschlossenen Tor blickte ein Wachmann überrascht die verstärkte Tür an, als diese leicht zitterte. Zwei Schattenrüstungen bewegten sich, durch die seltsamen Geräusche angelockt, auf das Verlies zu. Am Tor und dem verunsicherten Wachmann angekommen, brach auch schon Rolands Wut durch und wuchtete die Rüstungen mit dem Eisentor gegen die Wand. Donnernd zerquetschte es die Wächter und fauchend stiegen die versklavten Geister aus den zerstörten Panzerungen aus. Der letzte Wachmann warf sich schützend zur Seite auf den Boden. Völlig verängstigt schaute er schwerfällig atmend zu dem Gefährten, als er sich aufrichtete.
Bedrohlich schwebte Roland aus dem Durchbruch und starrte wutentbrannt den Mann neben dem Eingang an.
„WO IST SIE?!“, hallte Rolands Stimme in den Verstand der verbliebenen Wache. Der Mann hielt sich schreiend die Ohren zu. „Wer?!“, gab er panisch von sich und fiel auf die Knie. Roland bewegte sich langsam auf ihn zu. „FALSCHE ANTWORT!“ Seine Wut drang erneut in den Schädel der Wache ein. Roland hielt seine Hand nach vorne, als würde er den Mann verkrampft greifen und zitternd wurde die Wache angehoben. Die Augen weit aufgerissen schrie der Mann, was seine schmerzende Lunge hergab. Von seiner Wut getrieben, grub sich Roland durch den Verstand des Mannes und holte sich die erhofften Antworten selbst. Blut lief der Wache aus der Nase und den Ohren, während seine Augenhöhlen Feuer fingen und mit einem leisen Keuchen erschlafften seine Bewegungen.
Schwer atmend richtete Roland seinen Blick nach vorne, als er den leblosen Körper, der ihm keine Antworten lieferte, gleichgültig fallen liess. Erneut hallte Kyndles Schmerz gegen seinen Verstand. Ihren schwindenden Lichtpunkt konnte er selbst durch die Wände sehen. Die schmerzenden Echos ignorierend, rannte er wutentbrannt auf die Mauer zu. Er sprang hoch und schlug mit seiner glühenden, rechten Faust dagegen. Ein lauter Knall begleitete den erschütternden Einsturz der Wand und zielstrebig rannte Roland weiter, seinem Licht entgegen.
Kampfbereit sprang Kumash über die Trümmer des Tores und schickte seinen Kriegsschrei in den Gang hinaus. Seinen mächtigen Streithammer gehoben hallte sein Echo aus dem stillen Gang zurück. Leicht verwirrt blickte er auf die liegenden Rüstungen und den brennenden Kopf eines Wachmannes. Er betrachtete skeptisch das grosse Loch in der Wand und schaute über die Trümmer. Ein brechendes Echo kam aus dieser Richtung. „Hmpf!“, stiess er nüchtern aus und nahm die Verfolgung auf.
Eine weitere Wand wurde von Rolands Wut eingerissen und er stand nun in einem kuppelartigen Raum. Ein langer Teppich erstreckte sich vor ihm, der zu einem hohen Tor reichte. Vor dem grossen Eingang standen sechs Schattenrüstungen, dahinter acht skelettierte Bogenschützen auf den Wehrgängen und direkt vor dem Tor befand sich eine grosse dunkle Gestalt. Sie überragte die Rüstungen bei weitem und trug eine mächtige, zweischneidige Axt auf dem Rücken. In den Händen hielt sie je eine riesige Schildhälfte. Schädelsymbole und finstere Zeichen leuchteten in einem violetten Schimmer darauf.
Broderick stellte einen Schild auf den Boden, hob sein Visier und entblösste sein verfaulendes Gesicht. Den durchdringenden Blick seiner gelb schimmernden Augen auf Roland gerichtet, keuchte er laut. „Bis hierher …!“, drohte er mit einem ohrenbetäubenden Fauchen und stemmte eine Schildhälfte in den Boden.
Roland sah den finsteren General stur an. Hinter der verschlossenen Tür erkannte er Kyndles schwindende Seele. Unbeeindruckt von Brodericks Drohung begann er auf die Tür zuzugehen. Zwei Schattenrüstungen stürmten mit ihren Speeren auf ihn zu und wuchteten ihre Spitzen nach vorne. Bevor ihre Waffen jedoch ihr Ziel erreichen konnten, fegte eine starke Schockwelle über den Boden, was die beiden Rüstungen scheppernd zu Boden warf.
Roland blieb stehen und öffnete schnell seine Fäuste. Über den leuchtenden Handflächen entbrannten mit einem lauten Knistern zwei helle, orangerote Flammen. Den Blick seiner vor Wut brennenden Augen stets auf den General gerichtet, stiess er mit beiden Händen die Flammen seitlich von sich weg. Das mächtige Feuer erstreckte sich wie eine lange Zunge über den Boden und schmolz die liegenden Rüstungen zu glühenden Metallpfützen.
Beide Arme streckte er seitlich aus und zog sie vor sich zusammen. Seine Flammen spiegelten diese Bewegung wider. Von beiden Seiten fegten sie zu der Mitte des Raumes und entledigten sich der restlichen Schattenrüstungen. Zuletzt stiess Roland mit seinem Medium nach vorne und entfesselte einen Strudel aus den beiden Feuerzungen gegen den General. Mit einem lauten Zischen fegten die orangeroten Flammenwellen gegen das Tor.
Sich wieder aufgerichtet machte Roland einen weiteren Schritt auf die nun rötlich glühende Tür zu. Ein einsamer Schild stand vor dem Eingang. Er brach in zwei Hälften und zum Vorschein kam ein rauchender General. Ein finsteres Kichern begleitete sein schwaches Keuchen. Roland hob sein Gesicht leicht, doch bemerkte er die Schützen oberhalb des Tores zu spät. Bevor er seinen Arm heben konnte, traf ihn ein Pfeil in die Schulter.
Verkrampft sank er auf die Knie und hob seine linke Hand zu dem Tor hoch. Ein zweites Geschoss durchbohrte diese. Schmerzhaft schloss er seine Augen und fühlte noch immer das Schwinden seiner Seele. Schwer einatmend sammelte er seine Kraft.
Mit langen, schweren Schritten näherte sich Broderick dem knienden Mann. „… und nicht weiter!“, fauchte er durch den Raum. Geräuschvoll liess er seine Schildhälften zu Boden fallen und hob Roland an seinem Hals hoch. Er hielt die Augen weiterhin geschlossen, spürte aber den kalten Griff an seiner Kehle. Broderick öffnete das Visier seines Helmes und starrte ihn gierig an. „Leichte Beute!“
Roland stieg der faulige Gestank seines Atems in die Nase und fühlte den stärker werdenden Griff um seinen Hals. Doch liess ihn Broderick unverhofft fallen.
Kumash Gor stand bei dem Loch in der Wand und hatte seinen Streithammer geworfen. Mit einem dumpfen Aufprall traf die wuchtige Waffe den Helm des Generals. Roland landete auf dem Boden und stöhnte verkrampft auf. Mit eiligen Schritten rannte der Zwerg zu ihm und richtete ihn wieder auf. „Komm zu dir, verdammt!“, fluchte er ihm ins Gesicht. Im Anschluss hob er seinen Blick zu dem General und dessen neuer Beule in seinem Helm. Broderick hielt sich kopfschüttelnd die Hand an die Stirn und gab ein drohendes Knurren von sich.
Roland kniete entkräftet auf dem Boden und hielt schwer atmend seine Stirn gesenkt. Er spürte das weitere Schwinden seiner Seele und Tränen liefen aus seinen geschlossenen Augen. „Kyndle … ich … kann nicht …“ „Gib nicht auf, Roland“, hörte er eine warme, weibliche Stimme in seinem Kopf. Er öffnete seine Augen und sah vor sich einen hellen Lichtschein. „Lass mich dir helfen, diese Last zu tragen …“
Mit einem finsteren Leuchten in den Augen sah Broderick den Zwerg an und zog seine mächtige Zweihandaxt hervor. Die Augen geweitet, fiel Kumashs Blick auf die scharfen, schwarzen Schneiden der Waffe. „Scheisse!“, bemerkte er mürrisch und warf seine Aufmerksamkeit zu seinem Hammer, der vor Broderick auf dem Boden lag.
Kampfbereit stand Kumash vor ihm und schaute nach oben in dessen totes Gesicht, als plötzlich ein helles Leuchten aus seinem Rücken kam. Roland kniete auf dem Boden und ein hellblaues Licht strahlte von ihm ab. „SCHLUSS DAMIT!“, hallte seine wuchtige Stimme gegen die Wände. Die Druckwelle warf Kumash zu Boden und Broderick stemmte sich kräftig dagegen, konnte sich aber nur mühselig auf den Beinen halten. Die knöchernen Bogenschützen in den Wehrgängen wurden rückwärts an die Wand geschleudert und zerfielen in ihre Einzelteile.
Roland verschwand gänzlich in dem Licht. „An mir kommst du nicht vorbei!“, fauchte der dunkle General gegen den blendenden Schein und stemmte seine Axt in den Boden. Das Licht änderte seine Form und wurde grösser. Unverkennbar war es das Erscheinungsbild eines Drachen, der von gleissendem Licht erfüllt war. Kampfbereit richtete sich das Wesen auf, den Kopf gesenkt und die Flügel aggressiv angewinkelt. Orangerot schimmerte Kyleths Zeichen auf der Stirn.
Mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll begann sich der Drache dem General zu nähern. Broderick holte mit seiner Waffe aus und machte einen Schritt auf den angreifenden Drachen zu.
…………………………………………………………………………………………………..
Währenddessen in der Kammer.
„Gleich, gleich“, röchelte Kargesh ungeduldig vor sich hin und betrachtete angespannt das Seelengefäss. Immer schneller bewegten sich schattige Wolken von der liegenden Drachin aus um das Gefäss herum und wurden davon aufgesaugt. Der schwarze Stein nahm mehr und mehr eine dunkle, orangerote Färbung an und das leblose Herz darin begann zögerlich zu schlagen.
Kyndle versuchte ihren geschwächten Blick offen zu halten, doch war dieser kräftezehrende Prozess zu viel für sie. Blut tropfte ihr aus der Nase und den Ohren und krampfend scharrten ihre Klauen auf dem Boden. Mit Tränen in den Augen sank ihr Kopf schnaubend auf den Sockel nieder und sie spürte, wie ihr Puls stetig schwächer wurde. „Roland …“, dachte sie verzweifelt, als sein Abbild in ihren Erinnerungen von der Pyramide vor ihr aufgesaugt wurde.
Kargesh schritt an sie heran und schaute in ihre geweiteten zuckenden Pupillen. „Nicht mehr lange und es wird vollbracht sein!“, schrie er mit auseinander gehaltenen Armen zur Decke hoch. Ein schwaches Lachen kam von der Gestalt in der grauen Robe, welche weiter oben neben dem Seelengefäss schwebte.
Erschrocken zuckte der Nekromant zusammen, als plötzlich ein blendendes Licht durch die Tür brach. Hektisch flackten die Flammen in seinen Augen auf und Kargesh beobachtete, wie Broderick vor ihm auf den Boden fiel, nachdem er durch die Tür gestossen wurde. Stark hustend richtete sich der General wieder auf und blickte zu seinem Meister.
Die Augen weit aufgerissen trat knirschend eine leuchtende Klinge aus seiner Brust heraus. Es war die glühende Schweifspitze des Drachen. Die Arme und Beine verkrampft angespannt wurde er von dem Licht hochgehoben. Das Leuchten wurde heller und mit einem kräftigen Stoss durchbohrte es den General gänzlich. Zwei Pranken krallten sich in dem fauligen Fleisch von Broderick fest und rissen ihn blutend auseinander, während das Schweifende schnell nach unten fuhr. Die schimmernde Klinge schnitt mit Leichtigkeit durch den verdorbenen Körper und dumpf prallten die Reste von Broderick auf dem Boden auf.
Ein drohendes Knurren gab der Drache von sich, als er sich dem Nekromanten näherte und den toten Kopf des Generals unter seiner mächtigen Pranke zerquetschte. Angriffsbereit schaute er herab in das violette Funkeln der silbernen Maske, die Flügel nach hinten angewinkelt mit gehobener Schweifklinge. „Zu spät!“, keuchte Kargesh und genau in diesem Moment gab das leuchtende Seelengefäss eine pochende Schockwelle ab. Das Licht des Drachen zerbrach wie ein Spiegel und Roland fiel entkräftet daraus heraus zu Boden.
Der Nekromant schaute kurz zu dem gefüllten Seelengefäss hoch, wandte sich anschliessend aber Roland zu. Ein violettes Funkeln stach aus den leeren Augenhöhlen der Maske, als er sich gierig über ihn beugte. „Erstaunlich“, flüsterte er ihm zu. „Dieser Zugang wird mir ein mächtiges Instrument sein.“
Roland versuchte sich schwer atmend aufzurichten, konnte es aber nicht. Seine Kraft war zu geschwächt.
„Hey, Arschloch!“, hallte eine tiefe Stimme in den Raum. Kargesh hob seinen Blick hoch. „Wer wagt es?!“, rief er zornig zu dem eingebrochenen Tor. Eine Kugel prallte mit einem dumpfen Klingen an seine Maske und explodierte mit einem schweren Knall. Die Wucht brachte ihn aus dem Gleichgewicht und warf ihn schwerfällig zu Boden. Leicht hustend richtete sich der Nekromant wieder auf und schwenkte mit seinem Arm die rotsilberne Staubwolke zur Seite. Anschliessend schickte er ein drohendes Leuchten aus seinen Augen zu dem Eingang. Ein Zwerg schritt mit einem wuchtigen Streithammer in der Hand über die liegende Tür auf Kargesh zu. Kampfbereit stellte er sich seitlich vor den Nekromanten und richtete zornig seinen Zeigefinger auf ihn. „DU gehörst mir!“, brüllte er und hob mit beiden Händen seinen Hammer.
„Glaubst du, ein Wicht wie du ist mir gewachsen?!“, spottete Kargesh und hob seinen Arm in die Richtung des Zwerges hoch. Mit einem mürrischen Knurren begann Kumash langsam auf ihn loszugehen. „Auge um Auge!“ Mit diesen Worten stürmte er mit gehobener Waffe brüllend auf Kargesh zu.
Der Nekromant kicherte selbstsicher und hielt seine Hände offen zur Seite, stellte jedoch überrascht fest, dass keine grünen Flammen über seinen Handflächen auftauchten. Panisch wich sein Blick daraufhin zu dem Angreifer, doch sah er nur noch einen schnell entgegenkommenden Hammerkopf.
Mit einem metallenen Klappern schepperte die silberne Maske auf dem Boden und Kargesh kniete hustend auf allen Vieren. Blut floss ihm aus der gebrochenen Nase und dem zertrümmerten Unterkiefer. Tropfend hingen die Hautfetzten an dem geplatzten Mundwinkel. „Wie ist das möglich?“, röchelte er leise. Kumash stand vor ihm und blickte in sein fauliges Gesicht. Er liess seinen Hammer auf den Boden fallen und zog die alte Klinge auf seinem Rücken hervor. Das Metall schimmerte rötlichblau. „Mit freundlichem Gruss von Arkas, du Hurensohn!“, sprach der Zwerg spöttisch und packte den Nekromanten an der Kehle. Kumash sah zu dem Griff des blutverkrusteten Schwertes. Arkas Symbol darauf begann rot und blau zu glühen, ebenso das Zeichen auf Kumashs Nacken. „Mas verges nedroff!“, flüsterte er leise.
Mit einem langsamen Stoss versenkte er die Klinge des Schwertes in Kargeshs Bauch. Angespannt atmete der Zwerg aus, als er ihm den Stahl unter die Rippen trieb. Der Nekromant riss seine leuchtenden Augenhöhlen auf, als ihm die Waffe von unten durch das Herz glitt. Zitternd bewegte sich sein Körper, während das violette Leuchten in seinen Augen heller wurde. Kumash starrte ihn zornig an. Geschickt drehte er die Waffe ein Stück und presste sie noch etwas tiefer. Gierig starrte er in die erlöschenden Augenlichter des Liches. Leise knisternd verkümmerte das Funkeln und das Gesicht des Nekromanten begann in sich zusammenzufallen. Schimmernde Risse zogen sich über seinen fauligen Körper. Kumash zog die nun brennende Klinge heraus und liess dessen Kehle los, betrachtete, wie Kargeshs Körper mehr und mehr in sich zusammensackte. Eine lodernde grüne Flamme befreite sich aus dem Leichnam und nahm die Form eines deformierten Schädels an. Ein verzerrtes Kreischen stiess dieser mit aufgerissenem Kiefer aus, welches schwer in der Kammer widerhallte. Kurz darauf löste sich das Abbild auf. Lange blickte Kumash auf den zurückgebliebenen, schwach glühenden Aschehaufen nieder.
Still beobachtete eine Gestalt das Ganze aus dem Schatten. Wortlos streckte sie den Arm aus und das gefüllte Seelengefäss schwebte zu ihr heran. Es in der Hand haltend tauchte hinter ihm ein rötlich glühender Portalriss auf, durch welchen er den Ort, ohne dass ihn jemand sah. Der Riss schloss sich so schnell wieder, wie er aufgetaucht war.
Erleichtert sank Kumash auf die Knie und atmete schwer ein. Mit seinem lauten Kriegsschrei befreite er seine Erleichterung. Den Kopf erschöpft nach hinten gelegt, drang jedoch ein schwaches Husten in seine Ohren und holte ihn schnell zurück. „Oh, Scheisse! Roland!“, rief er hastig und eilte zu ihm.
Roland richtete sich krampfhaft auf und näherte sich schnell dem Sockel, wo seine Drachin noch immer gefangen war. Er griff nach Kumashs Hammer und schlug damit auf die Kristallkugel vor ihr. Heftig prallte der Stahl auf und der Rückstoss wuchtete ihn schwer zurück. Angespannt atmete Roland aus und richtetet sich wieder auf. Ein grosser Riss war auf der Oberfläche zu sehen und der Strudel begann leicht zu Flimmern. Stöhnend holte er weiteres Mal zum Schlag aus und liess die stumpfe Waffe ein weiteres Mal auf das Objekt fallen. Krachend brach die Kugel auseinander und die Wolke des Strudels entwich zischend zwischen den Splittern. Die Bruchstücke fielen leuchtend zu Boden, kurz bevor sie erloschen. Und genau wie sich der schwarze Strudel keuchend verflüchtigte, so verschwanden auch die verfluchten Fesseln, welche die Drachin auf dem Sockel fixierten.
Mit diesem Schlag fiel ebenfalls die seelische Blockade in sich zusammen und die Verbindung zu ihr war wiederhergestellt. Doch war der Kontakt schwach, kaum festzustellen. Er hörte das fast schon keuchende Atmen von ihr und betrachtete sie still. Ein schwaches Keuchen klang in ihrem Atem mit und er spürte stechende Schmerzen in der Brust. Blut begann aus seiner Nase zu tropfen und krampfende Schmerzwellen krochen durch seine Muskeln.
Sie hob ihre Pranke in seine Richtung, liess sie aber wieder geschwächt sinken, als sie ihren Partner mit feuchtem Blick ansah. Er hatte sie erreicht. Nach allem hatte er sie doch noch erreicht. Sie versuchte erneut ihre rechte Pfote zu heben. Roland kniete sich zittrig vor sie und lächelte seine Kyndle warm an, während er nach ihrer Pranke griff. Mit Tränen in den Augen hielt er seine rechte Hand an ihre Wange und fuhr mit der Linken unter ihre Pfote. „Wir holen dich hier raus! Versprochen!“, flüsterte er leise und lehnte seine Stirn an ihre heran. Tränen flossen aus seinen geschlossenen Lidern und benetzten ihre trüber werdenden Schuppen. Ein kaum hörbares Gurren drang aus ihrem Hals, als ihre Klauen versuchten, sich mit seinen Fingern zu verhaken. „Roland …“, flackerte ihre geschwächte Stimme durch seinen Verstand, doch reichte ihre Kraft nicht mehr aus. Entkräftet sank ihre Pranke zu Boden und mit letzter Anstrengung blickte sie ihren Partner an.
Roland fühlte es tief in seiner schmerzenden Seele, wollte es aber nicht wahr haben.
Niedergeschlagen sackte er zusammen, während er ihren liegenden Körper ansah. Den Kopf leicht gehoben blickte sie ihn mit trüber werdenden Augen an und flüsterte ihm ein schwaches „Chirp“ zu. Ihr Partner legte seine Hand an ihre Wange. „Nein! Nein, bleib bei mir! Du gehörst doch an meine Seite!“, flehte er sie an, tief in ihre Augen starrend. „Für immer dein …“, entschwand ihre mentale Stimme seiner Seele.
Er fühlte ihren schwächer werdenden Atem und spürte deutlich, wie ihre Seele mit seiner zu brechen begann. Verzweifelt starrte er in ihre geweiteten Augen. Einen letzten Funken konnte er noch sehen, bevor der Türkisschimmer in ihnen verschwand. Die Pupillen trübten sich und mit geschlossenen Lidern sank ihr Kopf leblos zu Boden.
Völlig entsetzt starrte er sie leer an. Sie wirkte, als würde sie friedlich schlafen. Nur zeugten ihre verblassenden Schuppen und ihre Stille von ihrem wahren Zustand.
Rolands Tränen füllten seine Augen und eine erdrückende Leere ergriff von ihm Besitz, als wäre er nur noch eine leblose Hülle. Dort wo sich einst ihre sanfte und liebevolle Aura befand, klaffte nun ein alles verschlingendes Loch. Wie gelähmt kniete er vor ihr. Schwer drückte es ihm auf die Brust und seine Hände zitterten verkrampft. Die Finger über ihre geschlossenen Lider gelegt atmete er unregelmässig ein und aus.
Doch dann verlor er schliesslich jegliche Kontrolle. „NEIN!“ Mit einem schmerzerfüllten Schrei entfesselte er seine Verzweiflung. Panisch griff er ihren Kopf und presste weinend seine Stirn an ihre, drückte sie krampfhaft an seinen Körper.
„Komm zu mir zurück!“, schluchzte er, während er mit seiner Hand über ihre kalten Schuppen strich. Kleine Flüsse der Trauer spiegelten sich in seinem Gesicht und tropften auf ihre matten Schuppen nieder. „Das kannst du mir nicht antun!“ Zittrig verharrte er und hielt den leblosen Körper seiner Drachin fest. Seine Stirn stark auf ihre gepresst biss er die Zähne zusammen und versuchte seine Emotionen unter Kontrolle zu bringen, scheiterte jedoch hoffnungslos.
„Mach die Augen auf! BITTE!“, hechelte er hilflos in ihr Gesicht und strich zitternd über ihre geschlossenen Lider. „DU SOLLST ZU MIR ZURÜCKKOMMEN!“, hallte sein Echo erneut in der hohen Halle wieder. Er zog ihren Kopf ein weiteres Mal an seine Brust und hielt ihn mit geschlossenen Augen fest, fuhr mit seinen Fingern über ihre Wange. „Nein, nicht du … bitte nicht.“
Immer tiefer stürzte er in seine Trauer.
„Ich tu alles“, schluchzte er verzweifelt. „Alles! Nur sei wieder an meiner Seite!“, wimmerte er in ihre Wange. Verzweifelt starrte er durch seine Trauer in die Leere, noch immer ihren leblosen Körper haltend.
Er würde alles geben, um ein einziges Mal wieder ihren Atem zu spüren, in ihre sanften blauen Augen zu blicken und diesen hellen Funken zu sehen. Den Funken, der nur für ihn bestimmt war. Diesen einen Schimmer, den er nur mit ihr teilte. Doch dies war nun bedeutungslos. In seinen Augen zeigten sich bereits trübe Flecken, wo einst ihre Aura schimmerte. Der helle Funke war erloschen.
An ihrer Seite kniend, fielen weitere Tränen auf ihre blassen Schuppen nieder. „Tu mir das nicht an“, winselte er leise vor sich hin und strich über die schon nassen Schuppen in ihrem Gesicht, brach dann aber schliesslich über ihr zusammen. „Geh nicht dahin, wohin ich dir nicht folgen kann.“
Kumash näherte sich ihm langsam. Behutsam legte er ihm die Hand auf die Schulter. „Roland, wir sollten …“ „Nein!“, unterbrach Roland aufgebracht seine leisen Worte. „Ich gehe nicht ohn…“ Seine Augen weiteten sich schlagartig und ein stockendes Ausatmen liess seine verzweifelte Stimme schlagartig verstummen. Leblos fiel er aus Kumashs Griff nach hinten auf den Rücken. Der Zwerg stand schockiert über ihm und blickte ihm hilflos in die leeren Augen. „WAS ZUM…?!“
Über ihnen schwebte ein dunkler Schatten in der Form eines grossen Drachen. Weisse Augenlichter schimmerten in den Augenhöhlen des Kopfes und dünne, hellblaue Rauchsäulen steigen aus ihnen empor. Neben diesem Schatten flimmerte ein unförmiger Umriss mit einer leichten orangeroten Farbe und einem schwachen blauen Glühen.
Category Story / All
Species Unspecified / Any
Size 94 x 120px
File Size 44.6 kB
Comments